Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich gestern im Rahmen eines Sondergipfels in Brüssel auf eine gemeinsame Antwort auf die Kaukasuskrise verständigt. Europas Presse diskutiert das Ergebnis.
El Mundo - Spanien
Der Krisengipfel in Brüssel habe gezeigt, dass das Konsensprinzip eine glaubwürdige Außenpolitik der EU verhindere, kommentiert die Tageszeitung El Mundo: "Einmal mehr haben die Mitglieder der Union gezeigt, dass sie, um sich zu einigen, den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen, der sich auf gutklingende Rhetorik ohne Inhalte reduziert. ... Sie beschränken sich darauf, ein 'verantwortungsvolles Handeln' von Moskau einzufordern, und ignorieren, dass die Russen den von [dem amtierenden EU-Ratspräsidenten] Sarkozy ausgehandelten Kompromiss missachtet haben, ohne dass dies irgendeine Konsequenz zur Folge gehabt hätte. Die Krise in Georgien hat einmal mehr die Unfähigkeit der EU gezeigt, eine kohärente und glaubwürdige Außen- und Verteidigungspolitik zu präsentieren. ... Wenn es auch wünschenswert ist, dass die Europäische Union ihrem Namen Ehre macht und im Konsens handelt, hat die Krise in Georgien erneut gezeigt, dass die große Hausaufgabe der EU die Außenpolitik ist. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Fähigkeit, gemeinsam zu agieren, stets unsere Entschlossenheit zunichte macht, auch ein Ergebnis zu erzielen." (02.09.2008)
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Gazeta Wyborcza - Polen
Laut der Tageszeitung Gazeta Wyborcza wurde auf dem Sondergipfel ein Meinungsumschwung innerhalb der EU sichtbar: "Das alte Europa hat begonnen, Russland auch mit dem zweiten, dem östlichen Auge zu betrachten. ... Die großen Länder sahen in Russland einen Handelspartner, Energielieferanten und eine Weltmacht, die Europa in Afrika, Afghanistan und beim Ringen mit dem Iran helfen kann (und hilft). Wir, die Nationen hinter dem einstigen eisernen Vorhang, sahen das anders. Russland ist für uns eine Bedrohung - mit Erpressung durch Raketen und Handelsembargos. Durch den Einmarsch in Georgien hat sich Russland dem Westen von seiner übelsten Seite gezeigt, an deren Existenz bislang kaum jemand in Berlin oder Paris glaubte. Von so einem aggressiven Russland haben die Deutschen und Franzosen erst von den Polen, Letten und Litauern gehört, aber sie hatten das mit unserer schweren Geschichte entschuldigt. Jetzt glauben sie es. [Der amtierende EU-Ratspräsident] Sarkozy sagte nach dem Gipfel, dass eine Rückkehr zur Politik der Einflussbereiche nicht zu akzeptieren und Jalta Vergangenheit ist. Diese Worte werden noch lange im Kreml nachklingen." (02.09.2008)
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Alle verfügbaren Texte von » Jacek Pawlicki
Tribune de Genève - Schweiz
Die Tageszeitung Tribune de Genève begrüßt den diplomatischen Weg gegenüber Russland, den die EU auf dem Sondergipfel gewählt hat: "Der Handlungsspielraum war eng. Die 27 [Mitgliedstaaten], ... haben entschieden, die einzige Waffe zu benutzen, über die sie gegenüber der russischen militärischen Macht verfügen: die Diplomatie. ... Wenn die Entscheidung des EU-Ministerrats auch auf den ersten Blick lächerlich erscheinen mag, ist sie auf den zweiten genauso unerwartet wie feinsinnig. Unerwartet erstens, weil sie ohne viele Probleme von den 27 getroffen wurde, die man für uneins hielt. Feinsinnig, weil sie nicht so dramatisch ist wie die von manchen verlangten Sanktionen, da sie den Dialog offen lässt und Russland den Ball zuspielt. ... Aber diese Affäre bestätigt, dass der kalte Krieg wohl vorbei ist, weil Russland und Europa zutiefst gegenseitig abhängige Partner geworden sind." (02.09.2008)
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Alle verfügbaren Texte von » Bernard Bridel
La Repubblica - Italien
Für die Tageszeitung La Repubblica bedeutet der gestrige Krisengipfel eine neue außenpolitische Ära für die EU. "Das Gipfeltreffen war ein Prüfstein und wurde zum Debüt. Ein Debüt für Europa, das auf eigenen Füßen stehen muss, ohne Tutor, ohne Schutzmacht im Rücken. … Europa ist kein Element mehr im Gleichgewicht zwischen zwei Mächten, sondern hat eine Regulatorrolle eben dieser Gleichgewichte inne. … Das neue Europa ist mit der Geburtszange der Krise auf die Welt gekommen, eine Geburt, die zugleich eine Rückkehr zur Vergangenheit ist, zu den alten, zwischenstaatlichen Beziehungen, die von der galoppierenden Globalisierung überholt zu sein schienen. … Im Bezug auf das antike Konzept des Gleichgewichts der Kräfte hätte eine Aufnahme von Georgien und der Ukraine in die NATO das Gleichgewicht im alten Kontinent erheblich gestört." (02.09.2008)
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Alle verfügbaren Texte von » Bernardo Valli
Monitor - Bulgarien
Die neue multipolare Welt Nach Meinung der Tageszeitung Monitor hat der Kaukasuskonflikt die neue Ausrichtung der Weltpolitik aufgezeigt: "Der Konflikt in Georgien wurde zu einer großen internationalen Krise, die ein paar wesentliche Veränderungen deutlich machte. Von einem neuen Kalten Krieg zu reden wäre jedoch übertrieben, denn es besteht nicht die totale globale Gegenüberstellung zwischen Westen und Osten, die auch eine ideologische Konfrontation mit einschließt. ... Offensichtlich ist es noch nicht angebracht, von einem einheitlichen Europa, vereint durch NATO und EU und mit nach Osten geöffneten Toren, zu reden. Offenkundig sind die besorgten Stimmen von jenseits des Atlantiks über Russland als einem geopolitischen Gegengewicht zur USA nicht übertrieben. Bei diesem geopolitischen Panorama kann man auch den Einfluss des neuen asiatischen Kolosses nicht genug betonen. Nach einer Periode von etwa 20 Jahren der Dominanz der USA geraten wir in eine multipolare Welt. Ihre Zentren sind: an erster Stelle die Globalmacht USA, aber auch die EU, Russland, China und bald Indien. Die Hegemonie Amerikas hatte bis jetzt ihre Vorteile für die Aufrechterhaltung der Stabilität in der Welt, aber nach dem Georgienkonflikt kann man ohne Zweifel behaupten, dass sie vorbei ist." (02.09.2008)
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Alle verfügbaren Texte von » Tschawdar Kiselinzew
Tuesday, September 02, 2008
PRESSE: Europäische Antwort (euro|topics)
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