Thursday, October 01, 2009

PRESSESCHAU: euro|topics: Kommission gibt Tbilisi Hauptschuld am Georgienkrieg (01/10/2009) (eurotopics.net)

Europäische Presseschau vom 01/10/2009

Der am Mittwoch vorgelegte Bericht einer internationalen Untersuchungskommission zum Georgienkrieg gibt der Kaukasusrepublik die Hauptschuld an dem Konflikt mit Russland über das abtrünnige Südossetien. Nach Meinung der von der EU beauftragten Tagliavini-Kommission - unter dem Vorsitz der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini - haben georgische Truppen den Krieg vor gut einem Jahr mit dem Beschuss der südossetischen Hauptstadt Zchinwali ausgelöst. Der Bericht betonte aber gleichzeitig, dass auch Russland gegen internationales Recht verstoßen habe.

+++ La Repubblica - Italien. Die linksliberale Tageszeitung La Repubblica hält den EU-Bericht zum Georgienkrieg für ein salomonisches Urteil: "Der Bericht beschuldigt im Wesentlichen beide Seiten [Russland und Georgien] schwerer Verletzungen des internationalen Rechts und der Menschenrechte. Aber paradoxerweise hat diese salomonische Strenge bewirkt, dass sowohl der Kreml als auch die Regierung von Tbilisi es [das Urteil] positiv aufgenommen haben. Sie privilegieren jeweils die gegen den Gegner gerichteten Anschuldigungen und spielen die [Anschuldigungen] gegen die eigenen Militärs herunter. …
Aber auch wenn beide Seiten auf ihre Schuld festgenagelt werden, besteht kein Zweifel, dass der EU-Bericht am Ende mehr zu Lasten Georgiens und vor allem seines Präsidenten Michail Saakaschwili geht, der als kaltblütiger Initiator des Krieges hingestellt wird. Diese Anschuldigung bringt Saakaschwili im Inland in Schwierigkeiten. und könnte den guten Beziehungen zwischen Georgien und der Europäischen Union und vor allem seinen [Georgiens] Ambitionen für einen raschen Beitritt in die atlantische Allianz [Nato] schaden." (01.10.2009) +++
http://www.repubblica.it/

+++ Der Tagesspiegel - Deutschland. Nachdem ein internationaler Untersuchungsbericht sowohl Tiflis als auch Moskau die Schuld am Georgienkrieg zugeschrieben hat, fragt die liberale Tageszeitung Der Tagesspiegel nach der Rolle Europas in dem Konflikt: "Der Krieg in Georgien war alles andere als unvermeidlich. [Der georgische Präsident Michail] Saakaschwili ließ sich durch russische Provokationen in diesen Konflikt treiben, auf mahnende Stimmen aus dem Westen hörte er nicht oder wollte er nicht hören. … Doch auf der anderen Seite hatten Russlands Premier [Wladimir] Putin und sein Präsident [Dmitri] Medwedew ihrerseits ein Interesse daran, den Konflikt immer weiter auf die Spitze zu treiben. ... Umso mehr müssen sich die Europäer fragen lassen, warum sie nicht früher gehandelt haben. Erinnern wir uns: Nach fünf Tagen schaffte es Frankreich, einen Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien auszuhandeln. Hätte ein ähnlich beherztes Eingreifen im Vorfeld den Krieg vielleicht sogar verhindern können?"
(01.10.2009) +++
http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/art141,2912960

+++ Der Standard - Österreich. Der Bericht der EU-Untersuchungskommission zum Georgienkrieg stütze die Position Russlands, meint die Tageszeitung Der Standard: "Mehr als ein Jahr nach dem Krieg hat Russland Fakten geschaffen, an denen alle Aufforderungen der EU-Regierungen und Resolutionen des Europarats nichts geändert haben. Abchasien und Südossetien, die zwei georgischen Separatistenprovinzen, sind endgültig russische Militärbasen geworden - und de facto Teil der russischen Föderation. Russlands Obsession, auch südlich des Großen Kaukasus militärische Kontrolle auszuüben, ist erfüllt. Das Urteil der Tagliavini-Kommission, das die Verantwortlichkeiten für den Kriegsausbruch aufteilt, doch einen größeren Teil den Georgiern zuweist, ist gut für Wladimir Putin, den russischen Kriegspremier. Georgien hat mit dem Artilleriebeschuss von Zchinwali [Stadt in Südossetien] sein Recht auf Vertretung der südossetischen Bevölkerung verwirkt, so lässt sich nun argumentieren." (01.10.2009) +++
http://derstandard.at/fs/1254310264090/Georgien-Bericht-Kein-Platz-in-der-Nato-fuer-Kriegshasardeur-aus-dem-Kaukasus

+++ The Independent - Großbritannien. Nach dem Bericht zum Georgienkrieg hofft die liberale Tageszeitung The Independent, dass Russland der Welt zukünftig freundlicher gesinnt sein werde: "Dass sowohl Russland als auch Georgien eine Rechtfertigung in diesem Bericht finden können, hat seine Vor- und Nachteile. Die Vorteile sind, dass jede Regierung ihrer Öffentlichkeit etwas bieten kann und keine Ausrede dafür hat, die Schlüsse nicht zu akzeptieren. Die Nachteile sind, dass beide der Verantwortung aus dem Weg gehen können, aber zugleich genug Gründe finden, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. ... Der September war ein guter Monat für die russischen Beziehungen zur Außenwelt. Zuerst kündigte [US-] Präsident [Barack] Obama an, dass er die Pläne für Raketenabwehrsysteme in Polen und Tschechien aufgibt. Jetzt hat der EU-Bericht es [Russland] davon freigesprochen, den Georgienkrieg angefangen zu haben. Da nun diese beiden großen Hindernisse aus dem Weg geräumt sind, könnte Russland - statt zu frohlocken - anfangen, der Welt ein freundlicheres Gesicht zu zeigen." (01.10.2009) +++
http://www.independent.co.uk/opinion/leading-articles/leading-article-georgia-started-it-and-russia-continued-it-ndash-to-excess-1795605.html

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