Reporter Idrak Abbasow im Krankenhaus: "Sie schlagen Kinder, Frauen und Alte, ohne Skrupel" |
Menschenrechtler warnen vor immer heftigeren Übergriffen auf Journalisten, Hausbesitzer und Oppositionelle in Aserbaidschan. Doch das Regime Alijew schlägt weiter ungebremst zu. In Baku wurde ein Reporter schwer verletzt, als er Zwangsumsiedlungen dokumentieren wollte.
Hamburg - Ende Mai richtet das autoritär regierte Aserbaidschan den Eurovision Song Contest aus. In der Hauptstadt Baku wird Tag und Nacht emsig gearbeitet, um glänzenden Eindruck auf die internationale Gemeinschaft zu machen. Die "Crystal Hall", eine 25.000 Besucher fassende Mehrzweckhalle gleich neben dem größten Flaggenmast der Welt, wurde nach offizieller Verlautbarung bereits fertiggestellt. Im Zentrum veredeln Bauarbeiter Bordsteinkanten mit Marmor und kleben brandneue Kitschfassaden vor schäbige sowjetische Plattenbauten.
Die Welt schaut auf Baku, und sie schaut aufmerksam. Doch trotz kritischer Berichte über die Einschüchterung von Journalisten und die illegale Zwangsumsiedlung von Innenstadtbewohnern aus Profitgier macht die Regierung unter Präsident Ilham Alijew offenbar weiter wie gehabt: Erst am Dienstag hatten "Human Rights Watch" und "Reporter ohne Grenzen" in Berlin auf die stetige Verschlechterung der Menschenrechtslage im Land hingewiesen. Doch schon am Mittwoch kam es erneut zu einem schweren Übergriff auf einen Journalisten.
Wie der aserbaidschanische Sender "Azadliq" berichtet, wurde der Reporter und Menschenrechtler Idrak Abbasow von Polizisten und Sicherheitskräften des staatlichen Öl- und Gasförderunternehmens SOCAR attackiert. Er erlitt schwere innere Verletzungen auf musste auf die Intensivstation des klinischen Zentrums von Baku gebracht werden.
"Abbasow wurde heftig getreten und geschlagen", berichtet Emin Huseyn, Leiter des Instituts für Freiheit und Sicherheit von Reportern in Aserbaidschan. "Er ist noch immer ohne Bewusstsein, ein Auge ist blutunterlaufen, sein Sehvermögen wird vermutlich eingeschränkt bleiben." Viel schlimmer jedoch sei, dass das medizinische Personal dem Patienten nur minimale Pflege zukommen lasse. "Ich habe das bei meinem Besuch im Krankenhaus selbst beobachtet. Dieses Verhalten hat System, Journalisten werden immer nachrangig behandelt", so der Vorwurf des Menschenrechtlers.
Zusammen mit anderen Journalisten hatte sich der 35-jährige Reporter der Zeitung "Zerkalo" (Spiegel) in die Siedlung Sulutepe, etwa zehn Autominuten vom Zentrum Bakus entfernt, begeben. Hier tobt seit Monaten ein Kampf zwischen privaten Hausbesitzern und dem mächtigen staatlichen Ölkonzern SOCAR, der behauptet, Eigentümer der Grundstücke zu sein. Die Bewohner hingegen erklären, das Land von der Gemeindeverwaltung erstanden zu haben. Unter dem Vorwand, es handele sich um baufällige Gebäude, wurden in der Vergangenheit zahlreiche von Privatleuten gebaute Häuser abgerissen - ohne Gerichtsbeschluss.
Auch am Mittwoch wollten SOCAR-Angestellte laut Berichten von "Radio Liberty" Häuser abreißen. Abbasow war mit einem Filmteam vor Ort, als man ihn niederschlug. "Sie schlagen Kinder, Frauen und Alte, ohne Skrupel", sagt Huseyn. "Die Bewohner von Sulutepe sind verzweifelt." Laut eigenen Angaben verwaltet SOCAR Vorkommen von drei bis fünf Milliarden Tonnen Erdöl und fünf Billionen Kubikmeter Erdgas - den begehrten Rohstoffreichtum des Landes. Das Unternehmen hält Anteile an der Baku-Tiflis-Ceyhan- sowie der Südkaukasus-Pipeline. SOCAR beschäftigt mehr als 58.000 Mitarbeiter, von denen sich viele über desolate Arbeitsbedingungen und Lohndumping beschweren.
Abbasow war erst kürzlich mit einem Preis für seine mutige Berichterstattung ausgezeichnet worden. Er ist Gründungsmitglied des Instituts für Freiheit und Sicherheit von Reportern in Aserbaidschan.
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