Der aserbaidschanische Blogger Emin Milli spricht
im Interview über Menschenrechte und Baku 2012. Derzeit studiert Milli
in London, möchte aber im September in seine Heimat zurückkehren.
Mit einem satirischen Video über einen absurd teuren Eselkauf durch die Regierung fing alles an. Kurz nach der Veröffentlichung wurde der aserbaidschanische Blogger Emin Milli im Juli 2009 verhaftet und zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Nach internationalen Protesten – unter anderem setzte sich US-Präsident Barack Obama für ihn ein – kam er nach 17 Monaten frei. Zur Zeit lebt und studiert Emin Milli in London. Er ist ein bekannter und ausdauernder Kämpfer für die Menschenrechte in seinem Heimatland, das am 26. Mai den Eurovision Song Contest austrägt.
Herr Milli, haben Sie sich über den Sieg Aserbaidschans beim letzten Eurovision Song Contest gefreut?
Na ja, ich bin kein großer Fan von Eurovision. Aber ich habe erkannt, welche Möglichkeiten uns dieser Erfolg bringen wird, um international auf die Probleme in unserem Land hinzuweisen. In diesem Zusammenhang, ja, habe ich mich wirklich gefreut.
Welche Probleme sind das?
Erstens, dass Armenien die aserbaidschanische Region Bergkarabach besetzt hat. Es ist wichtig, dass die Frage um dieses Gebiet gelöst wird. Sie behindert die demokratischen Prozesse, da beide Regierungen den Konflikt als Ausrede nehmen, um Reformen zu verschleppen. Zweitens müssen diese demokratischen Reformen in Gang gebracht werden. Die politischen Gefangenen müssen freigelassen werden. Und wir brauchen eine freie Presse.
Kann eine Schlagerveranstaltung Plattform für politische Inhalte sein?
Die European Broadcasting Union, die den Eurovision Songcontest ausrichtet, behauptet, es wäre keine politische Veranstaltung. Diese Position kann man aus deren Warte verstehen. Aber wenn man die Situation in Aserbaidschan analysiert, wäre es naiv zu glauben, dass Musik nicht politisch ist. Jede Sport- oder Kulturerrungenschaft wird vom Regime als Erfolg vereinnahmt. Deshalb ist alles politisch, was dort passiert.
Aserbaidschan ist seit 2001 Mitglied im Europarat. Inwieweit sehen Sie Bemühungen Europas, die Menschenrechtssituation in Ihrem Land zu verbessern?
Leider hat die Mitgliedschaft im Europarat die Lage eher verschlechtert. Das liegt an der passiven Haltung des Europarats zur Situation in Aserbaidschan. Zugegeben, es ist ein kleines Land. Es gibt viele Konflikte auf dieser Welt, viele Länder mit größeren Problemen und schlimmeren Menschenrechtsverletzungen. Aber angesichts der Ereignisse in der arabischen Welt sollte Europa über sein Engagement für Aserbaidschan nachdenken. Insbesondere darüber, wie man demokratische Werte vermittelt.
Wie könnte das aussehen?
Wir brauchen ein unabhängiges Fernsehen. Das könnte ein Netzwerkfernsehen sein, bestehend aus verschiedenen europäischen Akteuren. Damit könnte man Hunderttausende Menschen erreichen. In Aserbaidschan empfängt man über Satellit einen iranischen Sender, der auf Aserbaidschanisch sendet. Die iranische Propaganda vermittelt so ihre Werte. Das können die demokratischen Kräfte in Aserbaidschan bislang nicht.
Sie leben in England. Wie informieren Sie sich über die Menschenrechtslage in Aserbaidschan?
Ich bin jemand, der denkt, spricht und schreibt. Durch soziale Medien wie Facebook oder Youtube bin ich gut vernetzt in Aserbaidschan. Ich informiere mich darüber, was in Aserbaidschan passiert, aber auch was in der Welt passiert und wie die Welt die Probleme in Aserbaidschan sieht. Und ebenso wie Aserbaidschan die Probleme der Welt sieht.
Hat die Haft Ihr politisches Bewusstsein gestärkt?
Eindeutig. Ich habe mich nie als politische Person gesehen, auch heute nicht. Ich bin ein Bürger und habe das Recht zu sagen, was ich denke. Das mache ich ohne Gewalt, im rechtlichen Rahmen und ich will, dass viele Menschen das Gleiche machen. Das ist zunächst nicht politisch. Aber wie in jedem autoritären System wird dort alles auf diese Weise interpretiert. Die Zeit im Gefängnis hat mir geholfen, die Absurdität dieses Systems zu verstehen.
Können Sie zurzeit nach Aserbaidschan reisen?
Im September, nach meinem Studium, werde ich in meine Heimat zurückkehren. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich verhaftet werde, wenn ich zurückgehe. Aber ich habe keine Angst.
Werden Sie sich den Song Contest anschauen?
Ja, weil ich glaube und erwarte, dass die Sänger in einer Live-Übertragung jene Botschaften verbreiten können, die nach Meinung der Aserbaidschaner öffentlich debattiert werden sollten.
+++
Zur Person
Emin Milli wird 1979 als Emin Abdullayev in
Baku geboren. Er schließt 2001 sein Studium des Völkerrechts und der
Internationalen Beziehungen in Baku ab. 2002 erlangt er einen
Master-Abschluss an der Universität des Saarlands.
Von 2002 bis 2004 war er Direktor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Baku.
In seinem Blog befasst er sich mit den Menschenrechten in Aserbaidschan (www.eminmilli.posterous.com). Milli publiziert auch Gastbeiträge für internationale Zeitungen wie den Guardian.
Zurzeit lebt Milli in London. Im September will er jedoch in sein Heimatland zurückkehren.
Von 2002 bis 2004 war er Direktor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Baku.
In seinem Blog befasst er sich mit den Menschenrechten in Aserbaidschan (www.eminmilli.posterous.com). Milli publiziert auch Gastbeiträge für internationale Zeitungen wie den Guardian.
Zurzeit lebt Milli in London. Im September will er jedoch in sein Heimatland zurückkehren.
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