(dradio.de) Unter dem Titel "Places, strange and quiet" zeigt die Sammlung Falckenberg in Hamburg die bisher größte Ausstellungen mit Fotografien von Regisseur Wim Wenders. Wenders richtet seinen Blick auf menschenleere Orte und lässt sie ihre eigene Geschichte erzählen.
"Places, strange and quiet" - sie sind in der Tat seltsam und still, diese Orte, die Wim Wenders auf seinen Reisen gefunden hat. Friedhöfe, Hinterhöfe, Landschaften, in Japan, Russland, Armenien, Deutschland. Still heißt hier vor allem menschenleer, die Zeit scheint stehen geblieben zu sein oder sich nur bleiern voranzuwälzen.
"Meine Filme sind auch sehr von Orten bestimmt, aber wenn man mal anfängt, einen Film zu erzählen, ziehen die Figuren eines Films auch alle Aufmerksamkeit auf sich. Da kann man machen, was man will. (...) In der Fotografie kann ich das mal umkehren und mein ganzes Interesse dem Ort gelten lassen. Und wenn ich warte, bis niemand mehr da ist, und meistens ist eh keiner da, ist auch die Aufmerksamkeit für den Ort da."
Und doch, sagt Wenders, erzählen die Orte, wenn sie dann sprechen, von Menschen:
"… von all denen, die mal da waren, die da gelebt haben, die da durchgezogen sind, die da was verhunzt haben."
Etwas verhunzt haben sicher die Planer, die das inzwischen verrostete Riesenrad am Rand der armenischen Steppe haben aufbauen lassen. Oder hatten sie eine romantische Idee? Einen großen Gedanken dagegen muss den unbekannten Bildhauer getrieben haben, die einzelnen Buchstaben des armenischen Alphabets als Monument in die Weite der Landschaft zu stellen.
"Das Alphabet stand auf keiner Landkarte. Stand einfach da. Es war auch keine befahrene Straße."
Wenders spricht von einem inneren Radar, der ihn an solche Orte führt. Oft ist er zu Fuß unterwegs, und dass er an vielen dieser Orte lange Zeit verbracht hat, meint man den Bildern anzusehen, auch wenn man es ihnen eigentlich nicht ansehen kann.
60 meist großformatige Aufnahmen von Wenders zeigt die Ausstellung "Places, strange and quiet", so viele wie noch nie zuvor auf einmal. Viele erinnern in ihrem extremen Querformat an die Kinoleinwand. Und die großen Landschaftsaufnahmen der japanischen Küste bei Onomichi sind tatsächlich eine Hommage an Wenders großes Vorbild, den Regisseur Yasujiro Ozu. Anders als der Filmemacher ist der Fotograf Wenders ganz altmodisch. Seine Bilder entstehen komplett analog, ohne Kunstlicht, sogar ohne Stativ - was in der Tat bei vielen Aufnahmen schwer vorstellbar ist. Inspiriert sind sie von Malern. Von Edward Hopper, aber auch von älteren Meistern:
"Holländischen Malern, vor allem, Landschaftsmalern. Bevor ich überhaupt mal ein Foto gemacht habe, habe ich schon die Idee gehabt, wie man so eine Landschaft in den Rahmen setzt."
Das Erzählen kann der Filmemacher dann aber doch nicht ganz lassen, und so ist jedes Bild mit einem Kommentar versehen, um die Betrachter einzufangen:
"Das zwingt sie schon, stehen zu bleiben. Und nicht nur den Titel zu sehen, sondern auch die Geschichte. Und dann ist die Geschichte vielleicht auch eine, wo man dann auf dem Bild anfängt zu suchen: Wie kommt denn der Wenders dazu? Und schon sind Sie auf eine andere Art mit dabei. So ein bisschen. Ein 'Dirty Trick' sozusagen."
Etwa bei der Aufnahme einer Betonmauer im Freien. Ein Waschbecken ist daran montiert, daneben hängt ein Handtuch. Hinter der Mauer ragt ein Gebilde auf, es könnte der Sprungturm eines Freibads sein, vielleicht aber auch die Spitze eines postmodernen Sakralbaus. "In der Hoffnung auf irgendeine Erklärung", heißt es im Kommentar zum Bild, "habe ich hier lange gewartet. Doch es kam keine. Diese Mauer behielt alle Geheimnisse für sich."
No comments:
Post a Comment