Wednesday, April 18, 2012

JOURNALISMUS: BATUMELEBI: Eine Georgische Zeitung gegen den Mainstream (anstageslicht.de)

(anstageslicht.deEine junge Zeitung, die zudem von jungen Leuten gegründet und in Gang gehalten wird, hat es in einem Land, das von staatlichen Medien kontrolliert wird, schwer. Das wöchentlich erscheinende Blatt wird inzwischen auch überregional gelesen. Für ihre nonkonformistische Haltung hat die Redaktion bzw. die Gründerin und Chefredakteurin Eter TURADZE im Jahr 2009 einen Gerd BUCERIUS-Förderpreis "Freie Presse Osteuropa" erhalten.


BATUMELEBI - Die Chefredakteurin Eter Turadze im Gespräch


Die Wochenzeitung Batumelebi erscheint wöchentlich in der georgischen Hafenstadt Batumi am Schwarzen Meer. Die Auflagenzahl von Batumelebi liegt zwischen 2.300 und 2.500 Exemplaren. Batumelebi erscheint immer mittwochs und kostet 0,70 tetri bzw. 0,35 €. Frau Eter TURADZE, Chefredakteurin von Batumelebi, war zunächst Spezialisten für georgische Sprachwissenschaften und hatte an einer Schule unterrichtet. Doch sie wollte in Georgien etwas verändern und wurde Journalistin.


"Was um mich herum als Journalistin aber auch als Mensch passiert, ist und war für mich komplett inakzeptabel.“


Was macht die Frau, die a) jung ist und b) keine Erfahrung im Zeitungsmachen hat? Sie gründet eine Zeitung. 2001 hob sie mit ihrer Freundin, Frau Mzia AMAGHLOBELI, Batumelebi aus der Taufe. Ihre ersten Mitarbeiter waren ihre Freunde, die ebefalls professionellen Journalismus betreiben wollten. Sowohl TURADZE als auch alle anderen Mitarbeiter haben freiwillig und ohne finanzielle Erwartungen für die Zeitung gearbeitet. Die gesamte Redaktion hatte damals nur einen Computer zur Verfügung. Da sie keinen Drucker in der Redaktion hatten, mussten sie jedesmal den Computer mit zur Druckerei nehmen. Mit der Zeit wuchs Batumelebi und dementsprechend wurde auch der Druck von außen (bzw. ‚oben’) auf die Zeitung größer. Die Mitarbeiter waren mehrfach physischem und moralischem Druck ausgesetzt. Inzwischen arbeiten 22 Personen für die Zeitung.


In der Batumi erscheinen neben Batumelebi zwei weitere regionale Zeitungen: Adjara und Batumuri qronikebi (Chroniken von Batumi), die ausschließlich von der georgischen Regierung finanziert werden.


Hier das Interview mit Frau Eter TURADZE, der Gründerin und Chefredakteurin von Batumelebi, das die Studierenden Ketevan NISHNIANIDZE und Deniz YILMAZ im Herbst 2009 auf schriftlichem Wege geführt hatten:


Wie sind Sie zum Journalismus gekommen?


Ich habe meine erste Berufserfahrung in einer russischen Schule in Batumi gemacht, an der ich Georgisch-Unterrichtet hatte. Als ich Studentin im 2. Semester war hatte ich nebenher in der Schule gearbeitet. Das waren schwierige Zeiten, da 1992 der Bürgerkrieg in Georgien beendet wurde. Monatelang haben z.B. Lehrer kein Gehalt bekommen und wenn sie mal ausgezahlt wurden konnte man damit kaum drei Brote kaufen. Aus diesem Grund haben Lehrer aufgehört zu unterrichten. Ich habe mich entschieden in einem anderen Bereich zu arbeiten. Ein Jahr später habe ich ein Volontariat bei dem Fernsehsender „Adjara“ gemacht. Zunächst habe ich als freie Mitarbeiterin gearbeitet und danach als Teilzeit-Mitarbeiterin. Ein Jahr später hatte ich diesen Fernsehsender verlassen. Nur im Sender aufzutreten hat nicht ausgereicht. Übrigens wird dieser Fernsehsender, wie früher als ich dort noch tätig war, von der Regierung finanziert.


Einige Zeit später hatte ich angefangen für die Regionalzeitung „Adjara ps“ zu arbeiten. Dort war ich zwei Jahre lang Journalistin. Im Jahr 2000 hatte ich mich entschieden auch diese Zeitung zu verlassen. Der Grund dafür war, dass ich in meiner Freiheit zu schreiben stark eingeschränkt war. Fakt ist, dass damals jedes Medium von der Regierung stark kontrolliert wurde und es schwierig war sich frei zu äußern. Ganz am Anfang als ich angefangen hatte als Journalistin zu arbeiten hatte ich kein Wissen darüber „was Journalismus eigentlich ist“. Umso weniger wusste ich die Charakteristik von Zeitungen. Eins stand fest, wir wollten unbedingt anderen Journalismus betreiben. In unserer dritten Ausgabe wurde ein Artikel von einem Regisseur veröffentlicht, der ein Kinderoperntheater, welches von der damaligen Regierung gegründet wurde, kritisiert hat. Nach dieser Veröffentlichung wurde diese Person, der Hauptregisseur vom Fingertheater war, von der Arbeit entlassen. Er wurde gezwungen von Adjara nach Tbilisi zu ziehen um dort zu leben. Nach diesem Fall wurde uns klar, wie wichtig der Journalismus eigentlich ist. Danach haben wir als Redaktion Tag und Nacht sehr hart gearbeitet. Langsam wurde uns klar, wie wichtig es war, neutrale, verschiedene und überprüfte Informationen zu verbreiten.


Was ist ihr Motiv? Worin liegt der Focus von „Batumelebi“ und warum?


Die georgischen Medienorganisationen besonders Fernsehsender beschäftigen sich mit der Regierungspropaganda. Damit ich erklären kann, welche Situation in Georgien herrscht, möchte ich dazu ein Zitat nennen. Das Zitat stammt von einem ehemaligen Abgeordneten der Regierung der die Gesellschaftsrechte vertreten hat: „Wenn es in Deutschland den Sender ‚Rustavi2’ gegeben hätte, hätten die Deutschen bis heute nicht erfahren, dass sie im zweitem Weltkrieg verloren haben“.


Das Land in dem wir leben steht vor vielen Herausforderungen. Unser Ziel ist es, der Gesellschaft Informationen zu geben, die auf Fakten basieren und nicht subjektiv sind. Die Gesellschaft muss erfahren, was wirklich in diesem Land passiert, sowohl im politischem als auch im ökologischen und allen anderen Bereichen. Die Zeitung „Batumelebi“ versucht den Wachhund zu spielen, was uns manchmal auch sehr gut gelingt. Warum? Weil es als Journalist unsere Pflicht ist, möglichst wahrheitsgemäß und objektiv zu berichten. Ich persönlich könnte keinen anderen Beruf ausüben.


Kam es zu Veränderungen, nach dem Sie den Preis erhalten haben?


Natürlich! Unsere Ratings sind gestiegen. Bereits viele Leute wissen, dass „Batumelebi“ diesen Ehrenpreis bekommen hat. Es kommt mir so vor, dass die negativen Meinungen gegenüber unserer Zeitung gesunken sind. Besonders die Leute von der Regierung haben behauptet, dass die „Batumelebi“ eine Zeitung der Opposition sei. Das haben sie aber nur deshalb behauptet, weil wir die kritisiert haben. Aber wenn man so einen Preis bekommt, der für den objektiven Journalismus steht, ist klar, dass diese Zeitung in Zukunft nicht mehr als oppositionell bezeichnet werden kann. Das heißt, dass wir nun besser vor Vorurteilen geschützt sind als vorher.


Haben andere Publikationen über die Preisverleihung berichtet? Zeitungen, Fernsehsender usw. in Georgien oder im Ausland?


Mehr oder weniger gab es Nachfragen in der georgischen Presse. Dieses Ereignis hat aber leider nicht für große Aufmerksamkeit in Georgien gesorgt. Über den Erhalt dieses Preises hat nur ein regionaler Fernsehsender berichtet. Radio tavisufleba (georgisches Büro) hat darüber berichtet. Einige ausführliche Artikel darüber wurden online veröffentlicht. In deutschen und norwegischen Zeitungen wurde ebenfalls darüber geschrieben. Nach dem Erhalt des Preises hat unsere Redaktion eine Fotoausstellung von der Übergabe dieses Preises organisiert, die von einem georgischen Konsul eröffnet wurde. Wir dachten, dass die Medien zumindest über diese Veranstaltung berichten würden - sie sind nicht einmal zur Ausstellung erschienen.


Haben Sie selbst einen Artikel darüber veröffentlicht? Wenn ja, wo? Oder haben sie in der Zeitung „Batumelebi“ darüber berichtet?


Natürlich haben wir über diese besondere Verleihung in der Zeitung „Batumelebi“ berichtet. Errstmals als wir die Informationen bekommen haben, dass wir für diesen Preis nominiert sind und schließlich als wir den Preis gewonnen hatten. Außerdem haben wir ausführliche Informationen über die Verleihung auf meda.ge veröffentlicht. Zudem haben wir auch viele Informationen an die Medienorganisation zur Verfügung gestellt die sich dafür interessiert haben.


Wie hat die Gesellschaft auf diesen Preis reagiert?


Wir haben viele Gratulationen per Telefon, Post und E-Mail bekommen. Auf den Straßen sind wir von fremden Personen darauf angesprochen worden. Sie haben uns als eine objektive Zeitung akzeptiert und gönnen uns sogar mehr.


Wie hat die Regierung darauf reagiert? Wer genau hat reagiert und wie?


Von der Regierung kam keine Reaktion. Zumindest haben wir nichts mitbekommen.


War es nach der Auszeichnung einfacher die journalistischen Tätigkeiten fortzusetzen? Wenn ja, warum?


Ich möchte sagen, dass es für uns noch schwieriger wurde weiter zu arbeiten, weil das eine große Verantwortung mit sich bringt und die Leser nun mehr von dieser Zeitung erwarten als bisher.


Wie würden Sie das einschätzen: War die Auszeichnung eine Art Schutz? Oder hat der Preis eher negative Folgen für Sie, die Berichterstattung oder ihren Verlag mit sich gebracht?


Ich würde diese Frage ein wenig umkehren: Wir wussten nicht, dass wir für diesen Preis nominiert waren. Als wir von einer fremden Adresse eine E-Mail bekommen haben, die uns über den Preise informieren wollte, haben wir diese gelöscht. Damit möchte ich sagen, dass es eine ziemlich unerwartete und überraschende Information war, natürlich im guten Sinne. Für mich war dieser Preis der Ertrag unserer harten Arbeit. Lange Zeit haben wir harte Arbeit geleistet. Wir hatten auch Momente, in den wir uns gedacht haben, dass wir gegen den Wind kämpfen und unsere Arbeit von keinem geschätzt und gebraucht wird. Dieses Gefühl hatte ich besonders Ende August nach dem Krieg. Außerdem hatten wir auf unsere E-Mail-Adresse Bedrohungsbriefe erhalten, die über eine von unseren Journalisten und meine Liquidierung berichtet. Seitens der Polizei gab es fast gar keine Reaktionen (dieser Fall ist bis heute ungelöst). Eine von unseren vielen Sorgen war es, dass unsere Auflagenzahl bis zur Hälfte gesunken ist, obwohl wir so hart gearbeitet habe. (Nach dem Krieg sind die Preise gestiegen, deshalb mussten wir die Zeitung teurer machen). Zudem hatte unsere Zeitung finanzielle Probleme. Als ich die Analyse gemacht habe, dachte ich, dass meine Wahl, Journalistin zu werden, ein Fehler gewesen sei. Genau in diesen Krisenzeiten haben wir von dem Preis erfahren. Das hat uns das Gefühl vermittelt, nicht allein zu sein. Das ist die emotionale Seite. Und die 30.000 € waren eine wichtige Unterstützung um diese finanzielle Krise zu überstehen.


Was muss im Westen passieren, damit die Aufmerksamkeit in Georgien was journalistische Tätigkeiten belangt gesteigert wird?


Die Europäische Union soll von der georgischen Regierung verlangen, dass sie ihre Pflichten als Regierung erfüllen.


Was wünschen Sie sich für die Zukunft?


Ziel unserer Gruppe ist es die Auflagenzahl von „Batumelebi“ deutlich zu erhöhen und die Zeitung zu einer wichtigen Informationsquelle für die Menschen in Georgien zu machen. Bis heute existiert in Georgien keine Zeitung mit eine hohen Auflagenzahl. Wir glauben jedoch, dass dieses möglich ist. Dafür müssen uns noch mehr anstrengen und einen Gang höher schalten. Wir haben eine Online Zugangsquelle für „Batumelebi“ geplant, die schon bald eingeführt werden soll. Auf der Website www.netgazeti.ge werden Informationen über ganz Georgien zu finden sein. Das heißt, dass wir in ganz Georgien, in Tbilisi und andere Städten, Journalisten vor Ort haben werden. Unserer Meinung nach ist es eine große Chance, den Berufstätigen in georgischen Medien beweisen zu können, dass man existierende Probleme in einer Redaktion bezwingen kann.

Pressure on Georgian 'Batumelebi' newspaper (2009) (humanrightshouse.org)

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