Thursday, February 02, 2006

GEORGIEN / KAUKASUS
Es war bitterkalt und die Pipeline wurde gesprengt - ein geopolitisches Szenario im Kaukasus
Es erinnert an Praktiken des „cold war“. Poltische Entwicklungen werden sanktioniert. Erst wird der Ukraine die Gasversorgung auf einen Schlag vollständig abgedreht: Die Ukraine, die den Weg der Demokratisierung geht, solle nun den Weltmarktpreis bezahlen, so argumentierte Russland. Nun hatte auch Georgien, das der Weltöffentlichkeit durch ihre Rosenrevolution ins breitere Bewusstsein gerückt ist, Probleme mit der Gasversorgung und der Stromversorgung. Ihnen wurde die Versorgung nicht abgedreht, sondern gleich in die Luft gesprengt. Wer dafür verantwortlich ist, bleibt im Dunkeln – was erreicht wurde ebenfalls.
Das georgische Erdgas-Versorgungs-Netz, dass immer noch in großem Umfang von seinem Nachbarn Russland versorgt wird, wurde von Unbekannten zweimal gesprengt, gerade als in Georgien ein schwerer Wintereinbruch erfolgte. Das Land versank eine Woche lang im Frost. Schneefälle kamen hinzu. Dann fiel auch noch eine Stromleitung aus, die ebenfalls einem Anschlag zum Opfer fiel. Es gab lange Schlangen von Menschen, die nach Petroleum, Gas und Holz anstanden. Selbst Möbel wurden schon verheizt. In Tbilisi war es nicht nur bitterkalt, das gebeutelte Land lag jetzt auch noch buchstäblich im Dunkeln.

Seit dem beherrschten die Auseinandersetzungen zwischen Georgien und Russland massive Vorwürfe und rhetorische Hiebe, die zwischen dem georgischen Präsidenten Saakashvili, der gleich für zwei Tage das internationale Gipfeltreffen in Davos (Schweiz) verließ, und der russischen Regierung ausgeteilt wurden. Mittlerweile hat sich der offizielle Ton wieder etwas beruhigt, obwohl beide Seiten noch weiterhin unterschiedliche Meinungen darüber haben, warum die Pipeline gesprengt wurde. Die Begründungen sind sowohl politischer als auch wirtschaftlicher Natur. Unbezweifelbar für alle ist, dass die Sprengung kein Unfall war. Jetzt ist man bemüht, herauszufinden, wem diese subversive Aktion gedient haben könnte.

Präsident Saakashvili machte Russland dafür verantwortlich, indem es auf diese Art und Weise Georgien für seine Hinwendung zum Westen bestrafen wollte. Der Anschlag ist seiner Meinung nach nicht nur als ein Sabotageakt sondern auch als eine Warnung zu verstehen: Zukünftige Entscheidungen, die unvorteilhaft für Russland wären, sollen unterbunden werden. Gemeint ist damit wohl auch die Forderung nach dem Abzug russischen Friedenstruppen aus den separatistischen Konfliktzonen auf georgischem Territorium. Der Anschlag soll auch eine Reaktion darauf sein, dass Georgien dem Wunsch Russlands, die Kontrolle über das Hauptgasvertriebsnetz von Georgien zu übernehmen, nicht nachgekommen ist.

Solche direkten Behauptungen haben ihre Reaktion in Moskau nicht verfehlt. Georgien würde hysterisch reagieren, ließ man verlauten. Klar wäre auch, dass Russland von dieser Vorgehensweise nicht wirklich profitieren könne. Andere Kräfte und Splitterparteien auf russischem Territorium, die vom Kreml gerade nicht kontrolliert werden können, vermögen durch diese Anschläge ihre Interessen besser zu vertreten. Andererseits wurden die russischen Geheimdienste aber auch die tschetschenischen Separatisten für die Krise verantwortlich gemacht, schrieben die georgischen Zeitungen.

Die georgische Opposition wies darauf hin, dass die Erwähnung von Energiegewinnen durch den Präsidenten Saakashvili am letzten Donnerstag eine wesentliche Rolle gespielt hat. Einige Tage bevor die Energieversorgung ins Chaos stürzte, hatte der georgische Präsident gerade die Gewinne und das Wachstum betont.

Zumindest sind mittlerweile die Verschwörungstheorien mannigfaltig und weitverbreitet. Eine Version ist, dass ossetische Separatisten in Tskhinvali für die Unterbrechung der Energienversorgung verantwortlich sind. Politische und wirtschaftliche Analytiker behaupten sogar, dass sowohl die Iraner als auch die USA von der Versorgungskrise profitieren. Eine Version davon ist, dass die Sprengung der Gas-Pipeline durch die Amerikaner forciert wurde, damit Georgien sich vergewissert, dass die Pipeline, für die die Amerikaner 30 Millionen Dollar bereitgestellt hatten, nicht an die russische Gazprom verkauft wird, was viele als eine Bedrohung für amerikanische Interessen ansehen. Skandallös war zudem der Vorschlag USA-Beamter des Außenministeriums, die regionale Zusammenarbeit dahingehend zu ermutigen, Armenien mit Azeri-Erdgas zu versorgen, indem Armenien an das Netz angeschlossen wird. Dieser Aspekt wurde kurz darauf von Jerewan, Baku und Tbilisi dementiert. Aserbaidschan würde in diesem Ausmaß Georgien weniger unterstützen, wovon Jerewan und Tbilisi profitieren könnten. Zudem ist das Kontingent und die Kapazität des Gases der Pipeline aus Aserbaidschan nicht einmal genug für Georgien. Mittlerweile beansprucht Jerewan seine eigenen Erdgassereserven dafür, seinen eigenen Energienbedarf zu sichern, und hat die Exporte nach Georgien heruntergefahren.

Georgien selbst hat keine eigenen Erdgasreserven. Der georgische Energieminister Nika Gilauri handelte während der Krise daraufhin mit dem Iran kurzfristig ein Tauschgeschäft aus. Im Winter wird der Iran Georgien mit Erdgas aus der Karadaghi-Tbilisi-Pipeline über Aserbaidschan versorgen und Georgien wird im Gegenzug im Sommer Iran mit Elektrizität bezahlen, berichten die Zeitungen. Dieser Vertrag mit dem Iran wurde gleich darauf von westlich orientierten Politikern in Georgien negativ bewertet. David Usupashvili beispielsweise meinte, dass intensivere wirtschaftlich Beziehungen mit dem Iran ein politischer Fehler sei, um auf amerikanische und westeuropäische Interessen zu bauen.

Trotz der Versorgungungskrise und der harten politischen Statements des georgischen Präsidenten Mikhael Saakashvili, dauern die Spekulationen, ob Georgien sein Gas-Versorgungsnetz an Russland verkaufen wird, noch an. Die innenpolitischen Querelen mit dem Wirtschaftsreformer und Oligarchen Kakha Bendukidze, der als ein Lobbyist für russische Interessen in Georgien gilt, dauern ebenfalls an, wobei innenpolitisch auf seine Entlassung gedrängt wird; obgleich ein anderer Oppositionsführer Zurab Tkemaladze - von der Neuen Rechtsopposition - die Ambitionen, die Pipeline an Gazprom zu verkaufen, teilt. Beinahe jede Meinung zu dem Thema der Energieversorgung und der strategischen Sicherheit, basiert allein auf patriotischen Motiven.

In Tbilisi schneit es immer noch. Es ist ein ungewöhnlicher Winter - seit langer Zeit. Offiziell soll Georgien wieder an die Pipeline angeschlossen sein, doch auf dem Land gibt es noch viele Gebiete, wo die Menschen weder Erdgas noch Elektrizität haben, in vielen Fällen fehlt das Geld. Für sie ist es weniger wichtig, wer die Schuldigen dieser Gaskrise sind, geschweige sie so schnell wie möglich zu finden. Für sie ist es wichtig, dass sie es im Winter warm haben.

No comments: