Von Detlef Bimboes
1. zur Aktualität der Vergangenheit in der Gegenwart
Der Zusammenbruch der Sowjetunion, das Ende des Stillstands der bipolaren Nachkriegsordnung und der Drang der Globalisierung haben zu gefährlichen Entwicklungen am Kaspischen Meer und im Kaukasus geführt. Es ist ein alter Krisenherd, der in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder zu Konflikten und Kriegen um politische Vormacht, Wirtschafts- und Handelskriegen erschüttert worden ist. Hier kämpften in der Vergangenheit das türkische, persische und russische Reich um Macht und Einfluss. Die russische Eroberung Mittelasiens verstärkte die das gesamte 19. Jahrhundert bestimmende Rivalität zwischen russischem und britischem Imperialismus. Russland wurde durch die Eroberung Mittelasiens auf den Baumwollmärkten zunehmend zum kolonialen Konkurrenten Englands in Asien.
Die Ölreichtümer am Kaspischen Meer wurden erst bedeutsamer nach dem Debakel Russlands im Krim-Krieg, also nach 1856. Russland musste dringend modernisiert werden. Es verwandelte sich mit westeuropäischem Kapital in ein Treibhaus des Kapitalismus. Für das aus dem Erdöl gewonnene Petroleum stand ein riesiger Binnen- und Exportmarkt bereit. Russland wurde so kurzzeitig, beherrscht von westeuropäischem Kapital in den Ölförder-gebieten, zwischen 1898 und 1901 zum größten Ölzentrum der Erde.
Öl war inzwischen auch militärisch immer wichtiger geworden. Anfangs vor allem als Treibstoff für die englische Kriegsflotte, dann aber auch für die Schlachtflotten aller übrigen Großmächte. Um die Rohstoffbeschaffung für die englische Kriegsflotte sicherstellen zu können, kaufte der Royal-Dutch-Shell-Konzern 1912 die Besitzungen des französischen Bankiers Rothschild am Kaspischen Meer. Damit hatte englisches Kapital die Vorhand in diesem Gebiet.
Auch das deutsche Kaiserreich brauchte dringend Erdöl für Hochrüstung und Motorisierung seiner Militärmaschinerie. Die mit vor diesem Hintergrund entstandene Berlin-Bagdad-Politik war einer der wesentlichen Gründe, die zum I.Weltkrieg geführt haben. Deutschlands militärische Operationen waren aber, das zeigen die Unterlagen des Generalstabs von Wilhelm II., nicht nur darauf angelegt, den Zugriff auf die Erdölreserven von Rumänien, Anatolien, Mossul, Nordpersien zu gewinnen. Auch die des Kaukasus waren von hohem Interesse, zumal deutsche Wirtschaftskonzerne hier bereits seit langem große Mangan- und Kupfervorkommen ausbeuteten. Beinahe wäre es Deutschland noch kurz vor seiner Niederlage im Ersten Weltkrieg gelungen, tatsächlich endlich den Zugang zum Erdöl am Kaspischen Meer zu gewinnen. Im Verlaufe des Krieges und der parallel dazu betriebenen Zersetzungspolitik des russischen Vielvölkerstaats konnte es im christlichen Georgien Fuß fassen. Und zwar über den Weg als kurzzeitige Protektoratsmacht des unabhängigen Georgiens, das damals sozialdemokratisch regiert wurde. Georgien sollte der Zwischenschritt zu einem rohstoffreichen südkaukasischen Bundesstaat und damit die Brücke zum Orient bilden1,2). Bekanntlich wurde nichts daraus. Denn der Mangel an Öl und Benzin wurde zum Wegbereiter für den Sieg der Allierten über Deutschland.
Nach der Oktoberrevolution von 1917 entstand eine neue Situation. England unterstützte zur Wahrung seiner Interessen am Kaspischen Meer den antibolschewistischen Widerstand in Russland. Zusätzlich hatten England und Frankreich bereits 1916 in einem Geheimabkommen ihre Interessensphären abgegrenzt. Danach gehörte der gesamte Kaukasus und das transkaspische Gebiet zum englischen Einflussbereich. Zur Sicherung seiner strategischen Interessen besetzte England daher Baku am Kaspischen Meer und Batum am Schwarzen Meer. Zuvor hatte es bereits ganz Persien unter seine Kontrolle gebracht. Die Rote Armee konnte England aber bald wieder von den kaspischen Ölquellen vertreiben. Sie blieben fortan dem Zugriff westlicher Interessen verschlossen.
Deutschlands Ölmangel war einer der Gründe für die Strategie des Blitzkrieges im II. Weltkrieg. Erklärtes Kriegsziel Hitlers war es, die Ölquellen um Baku und Grosny zu erobern, Russland von der Ölversorgung abzuschneiden und die Ölfelder an sich zu reißen. Die Ölgebiete um Baku deckten 1940 ca. 70 Prozent des sowjetischen Ölbedarfs. Im Verlauf der Sommeroffensive 1942 gelang es dem 40. Panzerkorps der Wehrmacht, zeitweilig bis auf 80 km an das Kaspische Meer vorzustoßen. Dabei wurden die Ölfelder von Grosny in Tschetschenien von der SS-Division Wiking in Brand gesteckt und die hier noch verbliebenen Ölraffinerien und Ölvorräte vom Luftwaffengeschwader Richthofen zerstört. Die Sowjetunion hatte diese Gefahren vorausgesehen, die Ölproduktion teilweise eingestellt, große Teile der Anlagen demontiert und in das Wolga-Ural-Gebiet verlagert. Dort waren große Ölvorkommen entdeckt worden. Sie konnten aber erst nach und nach verstärkt genutzt werden. Versorgungsengpässe im Kriege wurden teilweise durch die USA überbrückt. Als Verbündete lieferten sie mehrere Ölraffinerien und beträchtliche Mengen an Ölprodukten.
2. Neue politische Ausgangslage und weltwirtschaftliche Bedeutung der Energievorräte
3. Ölpipelines und Großmachtinteressen in der kaspischen Region
4. Die Konflikte im Kaukasus
5. Russlands Reaktionen auf die Entwicklungen in der kaspischen Konfliktregion
Der ganze Text: Der Kampf um das Öl am Kaspischen Meer
Literaturverzeichnis:
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17. Taheri, Ahmad: Am Öl hängt, zum Öl drängt doch alles, in: Frankfurter Rundschau Nr.
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18. Brüggmann, Mathias: Um die Ölschätze am Kaspischen Meer wird mit harten Bandagen
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19. Gueyras, Jean: Gebietstausch im Südkaukasus? Lösungsversuche im Konflikt um
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20. "Droht ein Flächenbrand in Zentralasien?", in: GUS-Barometer Nr. 25, S. 6 vom
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21. "Putins zweijährige Bilanz", in: GUS-Barometer Nr. 27, S. 3 vom August 2001;
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