(freiheit.org) Im Rahmen der Festveranstaltung „Deutsche Woche Tiflis – 20 Jahre deutsch-georgische Beziehungen“ veranstalteten die Vertretungen der deutschen politischen Stiftungen in Georgien, die Konrad-Adenauer-Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung sowie federführend die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit eine Paneldiskussion zum Thema „Die Farben des Kapitalismus: Welche Zukunft für Georgien?“
Im Vorfeld der Parlamentswahlen im Oktober 2012 widmete sich das Panel aktuellen Themen und Streitfragen: Welchen Reformkurs beschreitet das Land in Zukunft? Entscheidet sich die Führung des Landes für das Entwicklungsmodell einer Modernisierungsdiktatur, in der wirtschaftliche Liberalisierung eng verknüpft ist mit politischer Unfreiheit und selektiver Rechtsstaatlichkeit? Oder wird man sich für den europäischen Weg eines liberaldemokratischen Rechtsstaats in Verknüpfung mit freier Marktwirtschaft stark machen?
Eingeführt und moderiert wurde das Panel hochrangiger Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft vom Direktor des Netherland Instituts for Multiparty Democracy, Levan Tsutskiridze. Im Panel vertreten waren Zurab Japaridze, Professor an der Freien Universität Georgien, Giorgi Targamadze, Vorsitzender der Christdemokratischen Bewegung Georgiens, Levan Izoria, Mitglied der Freien Demokraten, Irakli Petriaschwili, Gewerkschaftsführer und Pulizist, Manana Kochladze, Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation Green Alternative, sowie der Wirtschaftsjournalist und Analyst Revaz Sakevarishvili.
Nino Lejava und Walter Kaufmann. |
In der Diskussion wurde insbesondere die Frage aufgegriffen, welche Reformen ein Land wie Georgien für seine weitere Entwicklung brauche. Hauptgegensatz bildete dabei die von Herrn Japaridze vertretene Regierungsauffassung, Georgien müsse weiter auf Deregulierung und die Schaffung günstiger Bedingungen für Unternehmer setzen. Zurab Japaridze, der in seinen Ausführungen die Institution einer Wettbewerbsbehörde heftig kritisierte, vertrat die Meinung, dass die georgische Regierung mit ihrer Deregulierungspolitik manch europäischen Staat in den Schatten gestellt habe. Nun müsse man in einem nächsten Schritt die Nationalbank abschaffen, um einen Währungswettbewerb einzuführen.
Im Gegensatz dazu bewertete der Wirtschaftsexperte Sakevarishvili die bisherigen Reformen als zu einseitig, da keine Rahmenbedingungen für Wettbewerb gegeben seien und mangelnde Rechtssicherheit für georgische wie ausländische Investoren bestünden. Der Vertreter der Freien Demokarten fügte hinzu, die Reformen seien der wirtschaftlichen und sozialen Lage im Land nicht angemessen und begünstigten lediglich eine Reihe von Geschäftsmännern, die der Regierung nahe stünden. Fehlender Wettbewerb habe so zu einer Oligarchisierung der georgischen Wirtschaft geführt. Schließlich plädierte Giorgi Targamadze für das deutsche Modell einer sozialen Marktwirtschaft, die stärker auf die sozialen Belange der Bevölkerung Rücksicht nehmen müsse.
Das Publikum schloss sich der lebhaften Diskussion mit Kommentaren und Fragen an. Viele Teilnehmer charakterisierten die Regierungsführung als zu autoritär. Andere wiederum argumentierten, wirtschaftliche Reformen müsse man durchsetzen, und regulative Institutionen bzw. Rahmenbedingungen behinderten Wirtschaftswachstum nur. In einem Punkt waren sich jedoch alle Beteiligten einig: Privateigentum sei eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung des Landes und müsse besser vor staatlicher Willkür geschützt werden. Dies dürfe allerdings nicht zu einem Laissez-faire-Kapitalismus und einer Ellenbogengesellschaft führen, in der lediglich die ökonomisch bislang erfolgreichen Akteure ihre Freiheitsrechte auch realisieren können.
Die Veranstaltung hat das Dilemma, in dem das Transformationsland Georgien steckt, besonders deutlich gemacht. In den ersten Jahren nach der Rosenrevolution bestand das erklärte Ziel der georgischen Führung darin, das Land durch eine radikale Rosskur zu einer der führenden Volkswirtschaften in der Region zu entwickeln. Das Rezept bestand neben der Stärkung der Sicherheitsorgane wie z.B. Polizei oder Militär in einer kompromisslosen Deregulierung und Entbürokratisierung sowie der Umsetzung eines Minimalstaates im Bereich Wohlfahrt mit dem Ziel, vor allem ausländischen Unternehmern größtmögliche Freiheit zu verschaffen und Investitionen in das Land zu holen.
Anfänglich war diese Strategie äußerst erfolgreich und Georgien erhielt Bestnoten im Ease of Doing Business Index der Weltbankgruppe. Die zunehmende Attraktivität Georgiens für ausländische Unternehmer führte zu einem Anschwellen der Investitionen in 2007 und Anfang 2008 auf ein Rekordniveau und bescherte der georgischen Regierung satte Staatseinnahmen.
Trotz dieses Erfolgs blieb das allgemein erwartete georgische Wirtschaftswunder allerdings bislang aus. Bei näherer Betrachtung wird klar: die Reformen konzentrieren sich auf die Bereiche Deregulierung und Abbau von Hemmnissen für ausländische Unternehmer, lassen institutionelle Rahmenbedingungen einer Marktwirtschaft aber fast völlig außer Acht. Der Aufbau effizienter Institutionen und die Durchsetzung von rechtsstaatlichen Prinzipien hielt nicht Schritt mit der anfänglich mutigen Liberalisierung Georgiens.
Canan Atilgan und Yasemin Pamuk |
Yasemin Pamuk, Projektleiterin der Stiftung für die Freiheit im Südkaukasus fasste zusammen: "Georgien ist in den vergangenen Jahren einen weiten Weg gegangen. Wie die Paneldiskussion aber auch deutlich gezeigt hat, steht das Land heute vor wichtigen Entscheidungen, die für seine künftige Entwicklung von großer Bedeutung sind. Aus liberaler Sicht heißt dies, die Führung des Landes darin zu bestärken, das Prinzip der Freiheit, sei es politische, individuelle oder ökonomische Freiheit, für die Bürger zu verwirklichen und den liberalen Reformkurs in dreifacher Hinsicht weiterzuentwickeln: Rechtsstaatlichkeit, politischer Pluralismus und freier Wettbewerb."
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