(eurasianet.org) Wenn es um öffentliche Bauaufträge geht, dann heißt stattlich gleich verschwenderisch. Ein Beispiel dafür ist das neue georgische Parlamentsgebäude in Kutaisi, dass zwar offiziell eingeweiht am Unabhängigkeitstag aber immer noch im Bau ist. Kutaisi, eine ehemalige Industriestadt, hegt die Hoffnung, durch den Umzug des Parlamentes, seinen Rost abschütteln zu können.
Für die Beamten ist das neue Parlamentsgebäude ein modernistisches Meisterwerk, welches die Sanierung einer wirtschaftlich schwachen Region vorantreiben wird. Nach der Fertigstellung wird dieses Gebäudes aus Glas, den Gesetzgebern mit 4.200 Quadratmetern Fläche dafür genügend Spielraum geben.
Georgiens Präsident Michail Saakaschwili, der den kommunalen Gebäuden in ganz Georgien einen neuen Look verpassen will, sagte, dass das Projekt Kutaisi die Zukunft des Landes verkörpert. "Das neue Georgien [wird] modern, effektvoll und transparent sein", sagte er Teilnehmern der Gebäudepräsentation am 26. Mai.
Kritiker meinen hingegen, das Parlament käme direkt aus der klassischen Science-Fiction-Serie Star Trek, es ist ein Symbol einer überaktiven Phantasie. Unabhängig von den ästhetischen Qualitäten des Gebäudes, ist es für sie gerade ein Sinnbild für die Verschlossenheit und Eigenwilligkeit der Regierung Saakshvili. Schließlich wird der Umzug des Parlaments von Tiflis nach Kutaissi nichts anderes als eine kolossale Verschwendung von Geld bedeuten.
Der georgischen Young Lawyers Association (GYLA) kritisierte die Regierung für den totalen Mangel an Transparenz über die Kosten, die Entwicklung und die Konstruktion des neuen Parlamentes. Es dauerte zwei Jahre herauszufinden, wie viel die Regierung für das Parlament ausgibt und wo die Mittel herkommen. Der gesamte Bau wird nun auf 82,5 Mio. Dollar (ca. 133,7 Mio. Lari) geschätzt. Nino Tvaltvadze, GYLA Development Manager in Kutaisi, behauptet, dass die Regierung bislang nicht auf die Frage geantwortet hat, welche staatliche Behörde dafür zuständig ist und wer für die Aufsicht über das Projekt verantwortlich ist.
Das neue Parlament wird nicht offiziell eröffnet bis zu den Parlamentswahlen Anfang Oktober. Das alte Parlament aus der Sowjet-Ära mit seinen 540 Zimmerns soll privatisiert werden. Die Zeit wird zeigen ob die die Arbeit des Parlamentes in Kutaisi den Erwartungen der Regierung entspricht. Die Debatte darüber wird sich in den kommenden Wochen intensivieren, auch was die die Tragödie auf der Baustelle betrifft.
Eine 30-jährige Bauarbeiter wurde am 7. Juni getötet, als das Gerüst des Parlaments umstürzte. Es war der dritte Todesfall auf der Baustelle seit dem Jahr 2009. Die Baufirma hat lokale Berichte dementiert, dass 20 Menschen bei dem Vorfall am 7. Juni verletzt wurden. Saakashvili war "sehr verärgert" über die Panne, wie er im Fernsehen bemerkte. Seiner Meinung nach war Unaufmerksamkeit die Ursache, und er empfahl eine strafrechtliche Untersuchung.
Für Kutaisi, einer Stadt mit 196.800 Einwohnern - etwa zwei Autostunden westlich von Tiflis gelegen, ist das Parlament ein Zeichen für die Wiederherstellung seines verblichenen Ruhmes. Dieser Tage oft verspottet als Provinznest, war Kutaisi die georgischen Hauptstadt von 978 bis 1122, und enthält zwei UNESCO-Welterbestätten - die Bagrati-Kathedrale und in den Außenbezirken, das Kloster Gelati - beide während der Blütezeit der Stadt gebaut.
Der anstehende Umzug des Parlaments von Tbilisi nach Kutaisi hat nicht nur den Bau des Parlamentsgebäudes zur Folge, sondern auch ein neuer Flughafen mit einem 55-Meter hohen Turm der Flugsicherung soll errichtet werden. Darüber hinaus wurde ein Teil der Innenstadt, darunter die Oper, renoviert und drei neue gläserne kommunale Bürogebäude, einschließlich eines administrativen Zentrums (im futuristischen "Shopping-Mall"-Stil) erbaut.
Da Kutaisi immer im Schatten von Tbilisi, aber auch der Hafenstadt Batumi stand, begrüßen die Bewohner den Zustrom von Aufmerksamkeit und Ressourcen. "Natürlich hoffen wir, dass die Dinge besser sein werden -, dass Unternehmen besser und die Leute wieder beschäftigt sein werden", sagte Supermarkt-Filialleiter Fati Gogatishvili. Derzeit liegt die offizielle lokale Arbeitslosenquote bei 9,3 Prozent.
Viele erhoffen sich wirtschaftliche Vorteile von den 150 Parlaments-Mitgliedern und deren Familien. Um sie zu ermutigen, plant die Regierung Wohnräume für die Parlamentarier in der Nähe der Sowjet-Kurstadt Tsqaltubo zu bauen. Die Abgeordneten, die nicht aus der Region stammen, werden Reisestipendien erhalten. Ein Abgeordneter, der EurasiaNet.org kontaktierte, sagte, es sei "zu früh" darüber zu spekulieren, ob die Abgeordneten tatsächlich umziehen werden.
Bis heute wurden jedoch kaum Arbeitsplätze geschaffen - außer auf dem Bausektor beschränkt. Laut MagtiStyle, der in Tiflis sitzenden Baufirma für die Erichtung des Parlaments, haben etwa 200 lokale Arbeiter einen Job bei dem Bau des Parlaments bekommen.
Sobald das Gesetzgebungsverfahren für den Umzug abgeschlossen ist, sollen Jobs zu erwarten sein. Bisher, sagen die Einheimischen, haben sie keine Veränderungen bemerkt. Weder neue Geschäfte, Kanzleien oder gar Restaurants wurden eröffnet. Jedoch sind die Preise für Waren im Einzelhandel und für Immobilien gestiegen.
Laut Misha Tigashvili, der Generaldirektor des Kutaisi Free Zone - ein steuerfreies Investment-Projekt -, werden Investitionen und Arbeitsplätze durch das neue Kutaisi geschaffen. Tigashvili, der die ägyptische Firma Fresh im Jahr 2009 nach Kutaisi brachte, erzählte, dass sein ägyptischen Partner insgesamt bis zu 10 Millionen Dollar in ein Hotel in der Nähe des neuen Parlaments investieren will.
Solche Investitionen und wirtschaftlichen Aktivitäten könnten ein entscheidender Aspekt für die Rechtfertigung des Umzuges des Parlaments sein, kommentierte Lawrence J. Vale, Professor für Städtebau und Planung am Massachusetts Institute of Technology. "Denn solche Schritte können eine Vielzahl von Motiven haben - sie können einerseits produktiv und aber andererseits äußerst verdächtig sein - es ist besonders wichtig, alles genau zu beobachten, um größere politische Trends zu diagnostizieren", sagte Vale.
Von Molly Corso ... Sie ist eine freier Journalistin, und arbeitet auch als Herausgeber der Investor.ge, eine monatlich erscheinende Publikation von der American Chamber of Commerce in Georgien.
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