Thursday, January 12, 2006

Thamar
Die Geschichte der georgischen Königin

Sendung von Chatuna Mekwabischwili

Erzählerin:
Es geschah vor neunhundert Jahren in Georgien. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes wurde eine junge Frau Königin. Bis zu diesem Zeitpunkt gehörte die Macht in dem Land zwischen Schwarzen und Kaspischen Meer Männern. Der Bruch mit der jahrhundertealten Tradition wurde im Land misstrauisch beargwöhnt. Zum ersten Mal sollte ihre Herrscherin eine Frau sein? Ein junges Mädchen sollte ihr Land mit fester Hand regieren, gegen die Türken kämpfen und herrschen?
Als der Vater Georg der Drittte seiner Tochter 1178 die Krone überreichte, war Thamar gerade 18 Jahre alt - eine sonnenklare, georgische Schönheit. Und sie sollte als Königin Thamar das Georgien mit fester Hand regieren und sich gegen die Türken kämpfen und herrschen?

Erzähler:
Seit über 800 Jahren ist das Schicksal und die Lebensgeschichte der jungen Königin Thamar im Poem „Der Recke im Tiegerfell“ beschrieben. Für die Nachwelt erhalten hat es der georgische Schota Rusthaweli. Um viele Eindrücke schöner und reicher erzählt er den Augenblick der Krönung.

Zitator:
„Der Vater setzte ihr aufs Haupt mit eigenen Händen die geweihte Kron,
reichte ihr das Szepter, reichte ihr das Herrschers Goldchiton – und
im Strahlenblick der Jungfrau glühte ihre Hoheit schon.

Heer und Herrscher, stumm sich beugend, traten ehrfurchtsvoll zurück,
Priesen segnend, sie als Herrin, wünschten allerwege Glück.
Mit Trompeten, Zimbelklängen, lobte man ihr hoch Geschick.
Rebenschwarze Wimpern zuckten vor des Mädchens Tränenblick.”

Erzählerin:
Die Geschichten um die Königin Thamar lebten in russischen Geschichten weiter. Sogar im entfernten Indien erzählten sich die Händler über die Königin Thamar.
Noch heute sind in vier georgischen Kirchen Ikonen mit dem Antlitz der jungen Herrscherin und zeigen ihre Schönheit. Aber wer war diese Frau wirklich?

Erzähler:
Die Krönung nahmen der Episkop und Fürst von Ratscha-Takveri vor. Feierlich kniete Thamar mit aufrechten Oberkörper vor ihnen nieder. Sie erhielt sie die Krone und später während der Zeremonie das mit Gold und Diamanten besetzte Königsschwert. Der Episkop sprach die feierlichen Worte:

Zitator:
“ Gürtle dein Schwert an deine Seite, du Held und schmücke dich schön”.

Erzählerin:
Und somit wurde die Hoffnung ausgesprochen, dass Königin Thamar nicht nur mit Intelligenz, Schönheit und Leidenschaft das Land regieren soll, sondern auch mit Strenge und Entschlossenheit es gegen alle Feinde und Eindringlinge zu verteidigen weiß. Thamar verneigte sich, trug das Schwert mit beiden Händen vor sich und erhob sich. Hochgewachsen stand sie nun als Herrscherin vor den Fürsten, Wesiren und Großwesiren, doch ihr Blick verriet, dass sie keinen Widerspruch gegen ihre Macht zu lassen werde.

Zitator:
“ Lasst Thamaren mich, die Fürstin, blut- und tränenschwer besingen.
Preisgesänge, streng erlesne, ließ ich einst schon für sie klingen,
Für den Rohrstift musste Tinte dem Achatnee schwarz entspringen.
Wer mein Lied vernimmt, dem soll es wie ein Speer ins Herze dringen.

Zarte Weisen wählend, soll ich nun mit meinem Herzen wund
Schildern die achatnen Flechten, Brauen, Wimpern, Augen, Mund
Die kristallnen, feingereihten Zähne, weiß und perlenrund.
Unterm bleiern – weichen Hammer geht auch harter Stein zugrund.”

Erzählerin:
Als die junge Königin an die Macht kam, stieß sie auf eine ungewöhnliche politische Haltung:
Kuthlu-Arslan, ein mächtiger Finanzier, forderte eine Veränderung des politischen Systems in Georgien. Arslan wollte mehr Mitbestimmung und schlug daher der Königin vor, eine Kammer zu errichten, in der alle staatlich-konstitutiven Fragen wie in einem Parlament erörtert und diskutiert werden können. Ein ungewöhnlicher Vorschlag. Zum ersten Mal sollte auf diesem Weg die Macht der Königin eingeschränkt werden. Königin Thamar solle mit Ihrer Unterschrift den jeweiligen, von der parlamentarischen Kammer erarbeiteten Gesetzesvorlagen nur zustimmen. Die oberste rechtsgebende Gewalt der Königin solle also gebrochen und an die parlamentarische Kammer übergehen - ähnlich dem Modell einer “konstitutionellen Monarchie”.

Erzähler:
Der Vorschlag von Kuthlu-Arslan stieß auf wenig Gegenliebe bei der Königin. Noch nie gab ein Monarch freiwillig ein Stück seiner unbeschränkten und absoluten Macht ab. Sofort nach Bekanntwerden der Idee ließ sie den Finanzier als Anführer verhaften. Doch seine Anhänger forderten die Freilassung von Kuthlu-Arslan und rüsteten zum Bruderkrieg.

Erzählerin:
So sollte also die Herrschaft der 18jährigen Königin mit einem Krieg im eigenen Land beginnen. Nicht die türkischen Krieger waren die Gefahr, der sich Königin Thamar stellen musste, sondern neue Ideen zur Umgestaltung ihres Reiches musste sie bekämpfen. Damit hatte niemand gerechnet. In diesem Konflikt waren nicht das Schwert sondern geschicktes Verhandeln gefragt und die Königin wurde auf ihre erste Probe gestellt. Sie schickte, nicht wie es sonst bei Verhandlungen zwischen verfeindeten Parteien üblich ist Männer, sondern suchte aus dem Kreis der adligen Familien zwei Frauen aus. Diese sandte sie als Unterhändlerinnen zu den verfeindeten Männern um Kurthlu-Arslan. Diese zeigten sich überrascht und empfingen die beiden Diplomatinnen, so wie es in Georgien seit Jahr und Tag Sitte ist, zuvorkommend, höflich. Und so entspannte sich die Situation. Nachdem die beiden Frauen bewirtet wurden, übergaben sie das Schreiben der Königin. Die Auseinandersetzungen sollten auf alle Fälle friedlich beigelegt werden und die Männer waren zu Gesprächen mit der Königin bereit.

Erzähler:
Nach langen Verhandlungen mit der Herrin versprachen sie, ihr ewiglichen Beistand und schworen einen Eid auf die Treue zur Herrscherin und Königin Thamar versprach ihrerseits ihren Unterstehenden mehr Rechte einzuräumen. Sie versprach, alle wichtigen Fragen des Landes gemeinsam im Einvernehmen mit ihnen beschließen zu wollen.

Musik

Erzähler:
1185 war die politische Krise beigelegt. Königin Thamar war gerade sieben Jahre an der Macht - das unglückliche siebente Jahr – eine Heirat stand ins Königshaus und als Bräutigam wählten die Minister und Wesiren den russischen Königsohn Juri aus. Er war der Sohn von Andria Bogoljubski, König in Novgorod. Juri war schön wie ein Märchenprinz, auch sagte man ihm Mut und Tapferkeit nach. Jedoch für Königin Thamar war es der falsche. Auf keinen Fall wollte sie Juri zum Ehemann. Sie wollte nur einen Mann heiraten, den sie wirklich liebte.
Aber offensichtlich standen die georgischen Beziehungen zu Russland stärker im Vordergrund der Wesire als die Liebe einer jungen Frau. Und so wurde auch damals die Heirat von Juri mit Thamar nach dem Prinzip „heirate und herrsche“ geschlossen. Thamar beugte sich der Pflicht und willigte ein und heiratete den Russen Juri. Schnell erhielt er in Georgien den Beinamen George Russe. Doch in der Ehe zeigte sich bald der wahre Charakter des Feldherrn - er war ein Tyrann.
Zwei Jahre hielt es Thamar bei ihm aus, dann versammelte sie ihr Volk und klagte ihr Leid.

Zitatorin:
Obwohl uns das Christentum die Scheidung verbietet, werde ich eine Ausnahme machen und den Staub abwischen, der von Dir auf mir lastet. Es ist mir unmöglich, all die Sachen die mir zugefügt wurden zu verzeihen. Ich kann einen krummen Schatten nicht gerade halten.“

Erzähler:
Danach gab sie Befehl, Juri bis zum Schwarzen Meer zu begleiten. Juri wurde reich beschenkt und die Georgier verabschiedeten ihn am Strand. Juri’ Schiff nahm Fahrt auf und erreichte bald Konstantinopel. Im Laufe der Zeit sollte Juri unter etlichen Blutvergießen noch einige Male versucht haben, die georgische Königin zurückzuerobern und somit den Königsthron und die Herrschaft über Georgien. Doch seine Absicht scheiterte immer wieder, bis Juri in einem sinnlosen Kampf fiel.
Zwei Jahre kümmerte sich Königin Thamar nur um das Land und ihre Untertanen. Bis sie die Wesire und Minister ein zweites Mal verheiraten wollten. Diesmal kam ein Königssohn aus Ossetien in die engere Wahl: David Soslan. David Soslan - ein bildschöner junger Mann der im Kampf einem Löwen glich. David galt als bester Ritter und unermüdlicher Schwimmer und Läufer. Seine Eltern erzogen ihn streng nach georgischer Tradition. David hatte ein gutes Herz war hochgebildet und eroberte Thamars Herz. Der Heirat folgten bald Söhnchen Lascha-George und Töchterchen Rusudan.

Erzählerin:
All das geschah zu einer Zeit, als das große türkische Reich bereits zersplittert und Georgien immer mächtiger wurde. Trotz der Gefahr des eigenen Untergangs jedoch überfielen Heerscharen türkischer Krieger Georgien. An der Spitze stand der oberste Kriegsherr Abby-Bekar, Athabag aus dem heutigen Aserbaidschan. Da er um die Stärke der georgischen Krieger wusste, wandte er sich mit der Bitte um geistige und materielle Unterstützung an den Kalifen von Bagdad. Der Kalif befahl allen Moslemherrscher mit ihren Heeren an dem Feldzug gegen Georgien teilzunehmen und das fremde Land zu erobern. Als Zeichen des Beistandes schickte er dem Heerführer eine Fahne: die Fahne des Kalifen sollte beim Einmarsch der Türken in Georgien wehen.

Erzähler:
Die Truppen unter Abby-Bekar drangen in Georgien ein und wollte zuerst das Gebiet Schirwani, das heutige ??? besetzen. Der Schah von Schirwani konnte sich der Übermacht der Türken nicht erwehren. Hilfesuchend wandte er sich an die Königin Thamar. Diese sandte georgische Soldaten, angeführt vom Ehemann David Soslan, nach Schamkori, der Hauptstadt von Schirwani. 1195 begann die Schlacht und endete mit der völligen Niederlage der Truppen um Abby-Bekkar. Die georgischen Soldaten von David Soslan eroberten die Fahne des Kalifen und nahmen mehr als 12.000 Kämpfer gefangen. Mit diesem Sieg über die Türken wuchs die Autorität der Georgier im Orient. Doch der Kampf gegen die Türken war damit noch nicht beendet.

Erzählerin:
Sieben Jahre später griff Sultan von Rumi ??? oder Ikonia Ruk-Na-Din Georgien an. Damals war das Sultanat Rumi der größte Staat in Kleinasien. Und türkische Quellen erzählen, dass sich der Sultan mit seinem 400.000 Mann starken Heer der Grenze zu Georgien näherte und in der Nähe, in der Provinz Basiani sein Zeltlager aufschlug. Von dort schickte Sultan Ruk-Na-Din einen Boten mit einem Schreiben an die Königin Thamar. In diesem Brief forderte Ruk-Na-Din die kompromisslose Unterwerfung der Königin. Und mündlich, so erzählen georgische Geschichtsschreiber weiter, soll der Bote noch andere Bedingungen hinzugefügt haben:

Erzähler:
1. Die Königin soll dem Christentum abschwören und
2. Die Königin soll sich zum Islam bekennen.

Erzählerin:
Wäre sie dazu bereit, so der Bote, würde der Sultan die georgische Königin Thamar heiraten. Anderenfalls wäre die sie für Sultan Ruk-Na-Din bestenfalls eine Konkubine, die er nach Gutdünken beschlafen werde. Das Entsetzen über die ausgesprochenen Beleidigungen war groß. Nachdem der Bote geendet hatte, schlug ihn der georgische Fürst Zakaria Mchargrdseli so stark ins Gesicht, dass der Bote ohnmächtig niederfiel. Wäre er nicht der Gesandte des Sultans, die Georgier hätten ihm für diese Beleidigungen zuerst die Zunge und dann den Kopf abgeschnitten.

Erzähler:
Es dauerte nur zehn Tage, bis das gesamte georgische Heer gerüstet war. Solange blieb der Bote im königlichen Gewahrsam. Als er dann die Erlaubnis bekam, zu seinem Sultan zurückzukehren, folgte ihm das kampfbereite georgische Heer. Unter den Soldaten war auch die Königin Thamar. Sie brachte ihre Kämpfer bis Wardsia - der Rosenburg.
Und es war wie immer:
Die Königin wandte sich vor jeder Schlacht mit den Worten an ihre Soldaten:

Zitatorin:
“Brüder, die ihr wisst, dass ihr vor ungezählten Feinden in Minderheit steht, Ihr müsst wissen, dass Gott bei euch ist. Kämpft mit dem Segen seines Glaubens, kämpft mit euren starken Armen und mit euren tapferen Herzen.“

Erzähler:
Dann übergab sie die Fahne ihrem Ehemann – dem Heerführer und segnete die Kämpfenden. Und so gingen die Georgier in die Schlacht und Königin Thamar barfüßig in die Kirche und betete für das Volk, für Reich und Heer und erhoffte den Sieg.


Erzählerin:
Mit einem sofortigen Truppenaufmarsch hatte der Sultan nicht gerechnet. Es kam bei der Schlacht zu Basiani zu einem grausamen Gemetzel. Beide Seien beklagten zahlreiche Tote und Verwundete. Neben dem Ehemann David Soslan kämpften der Fürst Zakaria Mchargrdseli und die Brüder – Schalwa und Iona Achalzicheli. Noch heute spricht man bewundernd über die Tapferkeit und den Mut der georgischen Soldaten. Auf dem Schlachtfeld bei Basiani wurde bis zum letzten Bluttropfen gefochten, das riesige Heer des Sultans bot lange erbitterten Widerstand.

Erzähler:
Nachdem die Georgier den Widerstand der Feinde gebrochen hatten, gerieten tausende türkische Soldaten in georgische Gefangenschaft. Doch im Süden hielten noch immer Türkische Soldaten ehemalige georgische Städte besetzt. Königin Thamar dachte nach ihrem Sieg in Basiani an deren Befreiung. Zuerst marschierten ihre Soldaten in der armenischen Stadt Anisi ein und vertrieben die Türken. Danach zogen die Georgier in die alte armenische Hauptstadt – Dwini und Stück für Stück befreite das georgische Heer mit Schild und Säbel die Türken aus den alten georgischen Städte Oschki, Bana, Chachuli.
Heute gehören diese Städte zur Türkei.

Erzählerin:
In Georgien gab es zur damaligen Zeit zwei von einander unabhängige philosophische Akademien. Sie befanden sich in den Städten Gelati und Ikalto und waren beide nach dem Muster der griechischen Akademien eingerichtet. Eine georgische Chronik nennt Gelati unweit des heutigen Kutaisi mit Blick auf die Akademie das „neue ??? neüs Athen“.

Erzähler:
1207, fünf Jahre nach der Schlacht um Basiani starb der Gemahl von Königin Thamar. Und die Königin setzte seinen Sohn Lascha-Georgie als ihren Berater ein. Sie selbst hielt sich in Westgeorgien auf. Und wieder wurde die Gunst der Stunde genutzt, um Georgien erneut zu überfallen. Diesmal war es Sultan Ardebili. Zur Zeit des Angriffs war gerade Fastenzeit und das georgische Volk hielt sich in den Kirchen des Landes auf und betete. Doch der Sultan und seine Soldaten nahmen darauf keine Rücksicht. Seine Krieger drangen ins Land, mordeten und plünderten, um sich sofort wieder zurückzuziehen. Königin Thamar sah den überraschenden Angriffen des Sultans eine Weile tatenlos zu. Eines Morgens, es war gerade Ramadan, griffen die georgischen Soldaten unerwartet die Stadt Ardebili, eine Stadt im heutigen Iran, an und ermordeten aus Rache an den begangenen Christenmord fast alle Einwohner der Stadt. Auch der Sultan wurde zum Tode verurteilt. Schnell hat sich der entschlossene Kampf der Georgier herumgesprochen und die Georgier selbst dachten, dass nun endgültig alle Feinde vernichtet seien.

Erzählerin:
Mit diesen Schlachten, der entschlossenen Grausamkeit und Sehnsucht nach Gerechtigkeit ging Königin Thamar in die Analen der Geschichtsschreibung des georgischen Volkes ein.
Noch heute sagt man der Herrscherin nach, sie habe das Land wirtschaftlich und politisch geeint und das Staatswesen gefestigt. Einflussreich trieben die Georgier mit westlichen und östlichen Ländern Handel. Noch heute erweist sich die Regierungszeit der Königin Thamar als die Glanzzeit des georgischen Feudalstaates. Damals, so die Geschichtsschreiber, erhob sich Georgien rasch zu einem bemerkenswerten Land zwischen Orient und Okzident. Niemanden war es erlaubt, Klöster oder Kirchen zu zerstören, es gab keine Diebstähle und noch heute erzählen sich die Leute im Land, dass sogar die Menschen damals frei von Boshaftigkeit waren.

Musik

Erzähler:
Obwohl die Königin Thamar reich und vermögend war, lebte sie bescheiden. Thamar hatte ihre eigenen Ansichten. Sie lebte getreu der Maxim: “Was du gibst, bleibt dein, doch was du für dich anhäufst, hast du nie besessen”.
Am Ende eines jeden Jahres spendete sie den zehnten Teil vom Einkommen des Staates an die Armen. Königin Thamar regierte nach den alten Traditionen und Sitten großer georgischer Herrscher. Einer von ihnen war ihr Urgroßvater David Erbauer.

Erzählerin:
David Erbauer wurde 1089 König von Georgien. Er sollte gegen die Türken kämpfen und das Land einen. Doch dazu blieb wenig Zeit. 1121 erreichte ein riesiges Türkenheer mit mehr als einer halben Million Kämpfern die Landesgrenze von Ostgeorgien. Obwohl auf der Gegenseite nur 56.000 bewaffnete georgische Männer gegenüberstanden, schreiben die Historiker, dass David Erbauer nur drei Stunden gebraucht hätte, um die Angreifer in die Flucht zu schlagen.
Danach befreite David Erbauer Tiblissi von der Türkenherrschaft und ernannte es wieder zur Hauptstadt von Georgien. So hinterließ der König von Georgien seinen Nachkommen ein Land zwischen den beiden Meeren: dem Schwarzen und dem Kaspischen. Sein Reich erstreckte sich von „Von Nikopsia, dem heutigen Tuapse bis Darubandi dem heutigen Derbendi, von Ossetien bis Aragazi in Südarmenien.” Doch David Erbauer ging nicht nur als Feldherr in die georgische Geschichte ein. Er schrieb das literarische Werk „Gesänge der Leidenschaft“. In diesem Buch bittet der georgische König David Erbauer Gott um Vergebung für all das Blut, dass bei den Feldzügen vergossen wurde.

Erzähler:
Thamars Urgroßvater wurde nach seinem Willen direkt am Eingang zum Gelati-Kloster begraben. Es war sein Wunsch, dass die Besucher an seinem Grab vorbei mussten, wenn sie ins Kloster gingen, um zu beten.
Viele Klöster wurden auf Geheiß des georgischen Königs David Erbauer errichtet. Viele von ihnen funktionieren noch heute. Fernab der Hauptstraßen in weglosen und malerischen Gegenden leben und wirken noch heute junge Mönche.
Auch die Königin Thamar ließ Klöster bauen, renovieren, hat Kirchen vor dem Zerfall gerettet. So zum Beispiel auf dem Sina-Berg, in Palestina, Kipr, Iravaria, Kurucheti, Petrizoni, Makedonia und Konstantinopel. Überall dort hat sie die Königin geschmückt und mit Silber und Gold beschenkt.

Erzählerin:
Sie muss eine ruhige, reizende, weise, entschlossene und kluge Frau gewesen sein. Jeden Tag arbeitete die Königin und ließ somit keine Langeweile am Hof aufkommen. Wie sie waren alle Georgier in ihrem Reich tätig. Thamar war in Georgien beliebt. Viele Bauten von Brücken bis zu Schlössern trugen den Namen der Königin: “Palace von Thamar”, Schloss von Thamar”, Brücke von Thamar”, “Bach von Thamar”, “Thamaris Kirche“, “Thamaris Ikone”, “Halsband von Thamar”, “Gürtel von Thamar”…


Erzähler:
Die Herrschaftszeit der Königin Thamar dauerte 25 Jahre. Obwohl sie eine Frau war die mit großer Leidenschaft ritt und jagte, trugen ihr Sohn und ihr Mann die von Thamar selbst angefertigte Kleidung. Auch nähte und strickte die Königin für die Armen.
Thamar starb im Alter von 43 Jahren. Bis zum heutigen Tag ist das Lebenswerk der georgischen Königin der Nachwelt in Erinnerung.

Erzählerin:
Wenn wir über die Königin Thamar reden, muss auch der georgische Dichter Schota Rusthaweli erwähnt werden. Der Sänger soll schwärmerisch und hoffnungslos verliebt gewesen sein, erzählt die georgische Geschichte. Rusthawelli war Schatzmeister, Bibliothekar oder Geheimschreiber der Königin. Und die Monarchin selbst soll sich bei Rusthaweli das altgeorgische Poem “Vephchis tkaosani” oder ”Der Recke im Tiegerfell” bestellt haben. Und Rusthaweli als Vertreter der philosophischen Dichtkunst schrieb ein Epos über das menschliche Schicksal, über den Kampf um Glück und Würde, dichtete für Freiheit und Frieden. In all seinen Werken ging es um die Erfüllung der menschlichen Bestimmung.
Sein Werk für die Königin Thamar ist eine Hymne an die ewige Freundschaft, an Beistand, Aufopferung, Selbstpreisgabe und Treuherzigkeit.

Erzähler:
“Der Recke im Tiegerfell” ist in Georgien das Buch der Bücher, das sogenannte “Gewissen der Nation”. In den Familien weitergereicht, hat es viel Georgier beeinflusst und geprägt. Inzwischen ist es in mehr als 28 Sprachen übersetzt und hat auch im Deutschen nichts an Musikalität, Dichtung und Bedeutung verloren.

Erzählerin:
“Wer nicht Freunde sucht auf Erden, ist sich selbst der ärgste Feind.”

Erzähler:
“Hundert Köpfe zieh zu Rate, aber tu, was dir entspricht”.

Erzählerin:
“Ohne Sonne darbt die Rose, doch sie dorrt im Sonnenschein”.

Erzähler:
“Der Verständige trinkt die Wahrheit, doch der Narr ertrinkt darin”.

Erzählerin:
“Weise bist du, doch du weisst nicht deine Weisheit zu erweisen”.

Erzähler:
“Löwenbrut, ob mänlich, weiblich, bleibt doch immer Löwenbrut”.


Erzählerin:
“ Nicht der offne Feind ist furchtbar, nein, der falsche Freund ist schlimmer”.

Erzähler:
“ Besser ist ein Tod in Eren als ein Leben voller Schande”.

Erzählerin:
Die Grabstätte Rusthawelis und Thamars sind faktisch bis heute unbekannt.
Doch in Georgien erinnert immer der erste Tag im Monat Mai an die Königin Thamar, genau dann gedenken die Georgier der einst mächtigsten Frau des Landes und feiern den Namenstag ihrer einstigen Königin, deren Name auch auf der georgischen Fahne stand – Thamariani.


ANSAGE:

Thamar
- die Georgische Königin –
Sendung von Chatuna Mekwabischwili

ABSAGE:

Thamar
- die Georgische Königin –
Sendung von Chatuna Mekwabischwili

Redaktion: Ulf Köhler

Produktion: Mitteldeutscher Rundfunk, 2003.

maximale Länge der Produktion 24’30’’

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