Friday, January 20, 2006

Kaukasischer Kreidekreis

Das bekannte 1944/45 von Bertolt Brecht geschrieben Stück "Der kaukasische Kreidekreis", dem ein altes chinesisches Stück zugrunde liegt (In der Bibel soll es eine ähnliche Textstelle zu einer Entscheidung des Weisen Salomos geben.), wird immer wieder irrigerweise als Synonym für den Streit getrennter Eltern um das gemeinsame Kind genannt. Wahrscheinlich von Leuten, die das Stück nie genau gelesen oder gesehen haben. Denn sonst würdes sie damit nicht so leichtfertig umgehen.
Im "normalen" Elternkonflikt befinden sich Vater und Mutter, zu denen das Kind Bindungen besitzt und die beide für das Kind wichtig sind. Damit stellt sich aus Sicht des Kindes nicht die Frage, wer der "bessere" Elternteil ist, sondern wie dem Kind beide Elternteile trotz einer Trennung erhalten bleiben können. Die Geschichte vom "Kaukasischen Kreidekreis" handelt dagegen von einer leiblichen Mutter, der Ehefrau des Gouverneurs, die ihr Kind in der Gefahr im Stich lässt und kein wirkliches Interesse an dem Kind hat und der Gänsemagd Grusche, die das Kind im Moment der Gefahr zu sich nimmt und es dann "annimmt".
Später spürt die leibliche Mutter das Kind wieder auf und will es zurückhaben. Der Dorfschreiber und spätere Richter Azdak stellt das Kind in der darauffolgenden Gerichtsverhandlung in den Kreidekreis und läßt die beiden beteiligten Frauen an den Armen des Kindes ziehen, mit der Auflage, wer das Kind aus dem Kreidekreis zu sich ziehen kann, der soll die rechtmäßige Mutter sein..
Der Adzdak ist schlau genug zu wissen, dass diejenige Frau die das Kind liebt, es niemals solange zu sich zerren wird, bis dem Kind der Arm ausgerenkt ist oder es in Stücke gerissen wird. Hätte der Azdak dies nicht genau einkalkuliert, so wäre er bewußt davon ausgegangen das das Kind zerrissen wird.


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