Monday, November 10, 2008

STATEMENT: Über die Dikussion in Deutschland zum Kaukasuskonflikt. Von Marika Lapauri-Burk

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrte Teilnehmer der Konferenz am 5. November in Hamburg
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Schröder,


wir haben aus naheliegenden Gründen in den letzten Wochen und Monaten unterschiedliche Veranstaltungen zum Kaukasuskonflikt besucht, u.a. die am 5. November in Hamburg, an der Sie ebenfalls teilgenommen haben. Wir mussten leider nicht zum ersten Mal feststellen, dass häufig nur eine sehr oberflächige Diskussion stattfindet.
Es ist trivial, dass die täglichen Nachrichten einer solch komplexen Region wie dem Kaukasus mit seiner Vielzahl von Ethnien, Sprachen und Glaubensrichtungen nicht gerecht werden können. Die Formulierungen geraten entsprechend standardisiert. Selbst die Wissenschaftler, die an diesen Diskussionen teilnehmen, sind nicht umfassend informiert. Eine Bereitschaft in einen Dialog zu treten, ein Wunsch, die Standardformulierungen im Frage zu stellen, ein Bedürfnis, einen freien Raum zu lassen zum Zusammendenken, - zeichnet sich leider nicht ab. Eher folgt alles dem Schema, “Der Experte hat gesagt und alle gehen nach Haus...” Das ist ein generelles Problem und je nach Thema mehr oder weniger auffallend.

Die Art und Weise allerdings, wie derzeit Diskussionen, die tieferen, auf Studien basierenden Analysen, kaum Aufmerksamkeit zollen, geführt werden, ist für uns mittlerweile unverständlich. Es ist zu beobachten, dass die Ansichten zunehmend schärfer und plakativer polarisiert werden und kein freier Raum für eine differenziert abwägende Gesprächskultur bleibt. Dabei ist uns das Problem, dass es sehr schwierig und zeitaufwendig ist, an zuverlässige Informationen zu gelangen, durchaus bewusst. Hier spielt sicher eine Rolle, dass nach der langen Zeit des `Eisernen Vorhangs´ und den schwierigen Zeiten danach, der wissenschaftliche Austausch zwischen Deutschland bzw. Westeuropa und den jeweiligen Ländern, hier konkret Georgien, schwierig war.

Wenn wir konkret die Veranstaltung am 5. November betrachten, wäre es in der Tat notwendig, sich Satz-für Satz von Anfang bis zum Ende mit den teilweise sehr holzschnitthaften Äußerungen auseinanderzusetzten. Das würden wir auch gerne tun, wenn eine Interesse, bzw. Bereitschaft vorhanden wäre.

In der ersten Phase, unmittelbar nach dem Krieg, war es zweifellos schwierig, sich zu orientieren und eine klare Meinung zu vertreten. Umso mehr waren die voreiligen Feststellungen fragwürdig, die mittlerweile als Standard gelten. Tatsächlich wurde am 29.10.08 bekannt gegeben, dass eine EU- Kommission die Ursachen und den Ablauf des Krieges untersuchen soll. In Tbilissi arbeitet auch ein parlamentarischer Ausschuss mit dem gleichen Ziel. Die EU Beobachter, die am 1. Oktober 2008 ihre Arbeit in Georgien aufgenommen haben, hatten noch keinen Zugang zu den besetzten Regionen. Daher sollte man alle bis jetzt veröffentlichten Artikel und mehr noch die wissenschaftlichen Arbeiten unter Vorbehalt betrachten. Die Apodiktik, mit der auch am 5. November trotzdem Begriffe geprägt und Urteile gefällt wurden, hat uns beunruhigt.

Wir finden es in diesem Zusammenhang sehr bedauerlich, dass die Veranstalter keine Kontakte mit Wissenschaftlern aus Georgien aufnehmen, während Kontakte zu russischen Experten, Institutionen und Informationsquellen offenbar spielend zustande kommen. Dies ist umso unverständlicher, wenn davon ausgegangen werden kann, dass in Deutschland einige hervorragende georgische Wissenschaftler tätig sind.

Wir bitten darum, dass Sie diese Schreiben an Ihre Kollegen weiterleiten, die am 5. November an der Veranstaltung in Hamburg teilgenommen haben. Das werden wir selbst auch versuchen. Für Ihre Fragen stehen wir gerne zur Verfügung. Über eine Zusammenarbeit mit Ihnen würden wir uns freuen.

Mit freundlichen Grüßen,
Marika Lapauri-Burk
Lile e. V.
Max-Brauer-Allee 68
22765 Hamburg

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