Podcast: Mit Millionen gegen die Macht
(dradio.de) Neun Jahre lang konnten die einstigen Rosenrevolutionäre in Georgien fast konkurrenzlos regieren, doch Präsident Saakaschwili steht zunehmend in der Kritik wegen des Krieges mit Russland 2008, aber auch, weil er autoritäre Züge zeigt. Bei der Wahl am 1.Oktober tritt ein starker Gegner gegen sie an: der georgische Milliardär Bidsina Iwanischwili.
Die Bühne ist in blaues Licht getaucht. Männer in georgischen Trachten singen live. Etwa zwanzigtausend Menschen schwenken Fahnen. Dann tritt der Hauptredner auf: ein drahtiger Mann im blauen Anzug, 56 Jahre alt. Abwechselnd winkt er mit der rechten und der linken Hand in die Menge. Er wirkt klein und ein wenig schüchtern. Es ist Bidsina Iwanischwili, Multimilliardär und Hoffnungsträger der georgischen Opposition. Seine Partei heißt Georgischer Traum.
(Bild: picture alliance / dpa / ITAR-TASS / Alex) |
Ehe Bidsina Iwanischwili vor einem Jahr erklärte, in die Politik zu gehen, hatte er zurückgezogen in einem kleinen Dorf gelebt. Die Georgier wussten nicht mal, wie er aussieht. Als Unternehmer habe er höchstens vor elf Leuten zugleich gesprochen, erzählt Iwanischwili.
"Ich trete immer noch nicht gern vor großen Menschenmengen auf. Aber es muss sein."
Iwanischwili verspricht Arbeitsplätze, er will die brachliegende Landwirtschaft entwickeln, Kleinunternehmer fördern. Und er verspricht eine Krankenversicherung für alle. Notfalls will er sie aus eigener Tasche bezahlen.
Der Milliardär war nicht immer gegen Saakaschwili und dessen Regierung - im Gegenteil. Lange Zeit hat er Saakaschwili sogar unterstützt. Nach der sogenannten Rosenrevolution 2003 finanzierte er Armeeuniformen, Ministergehälter, den Wiederaufbau von Kirchen und Kulturgebäuden - und all das, ohne viele Worte darüber zu verlieren. Glaubt man Iwanischwili, so begann die Entfremdung zwischen den beiden, als Saakaschwili eine friedliche Großdemonstration mit Gewalt auflösen ließ. Das war im November 2007.
"Danach hat er den unabhängigen Fernsehsender Imedi stürmen lassen. Währenddessen habe ich ihn alle paar Minuten angerufen. Er ist immer ans Telefon gegangen, wenn ich ihn anrief. Ich habe ihm ganz klar gesagt: Tritt zurück, sonst ist es mit unserer Freundschaft aus. Er meinte: Beruhige dich, ich erklär dir später alles. Wir müssen einen gewaltsamen Umsturz abwenden. Als wir uns danach trafen, hatte er aber keine Erklärung, sondern erzählte nur Märchen. Da habe ich gesagt: Wenn du jetzt nicht zurücktrittst, bekämpfe ich dich bis zum Ende meines Lebens."
Es dauerte dann noch ein weiteres Jahr bis zum endgültigen Bruch zwischen dem Präsidenten und dem Milliardär.
Saakaschwili hat in den letzten Jahren sehr viel Macht angehäuft. Im Parlament stellt seine Partei die verfassungsgebende Mehrheit und ändert Gesetze so, dass sie den politischen Gegnern schaden. Auch die Justiz entscheidet im Zweifelsfall zugunsten der Regierung. Das bekommt auch Iwanischwili zu spüren. Georgische Gerichte verurteilten ihn wegen angeblicher Verstöße gegen das Wahl- und das Parteispendengesetz bereits mehrfach zu astronomischen Geldstrafen. Iwanischwili schimpfte - und zahlte - umgerechnet etwa 150 Millionen Euro.
"Aber die Millionen sind nicht verloren. Ich war emotional darauf vorbereitet. Dafür haben sie ihr wahres Gesicht gezeigt. Ihnen, Europa, Amerika. Sie haben gezeigt, dass es hier nicht mal die Fassade einer Demokratie gibt. Alles hängt vom Willen einer Person ab. Dass das bekannt wurde, war die Millionen wert."
Iwanischwilis Gegner sagen über ihn, er sei eine Marionette Putins. Schließlich hat er seine Milliarden in Russland gemacht - das ist kaum möglich ohne den Segen des Kremls. Die Beziehungen zwischen Georgien und Russland liegen seit dem Krieg zwischen den beiden Staaten 2008 auf Eis. Iwanischwili selbst weist die Vorwürfe zurück. Er wolle aus Georgien eine echte Demokratie machen - und sich dann aus der Politik zurückziehen.
"Ich denke, ich kann binnen zwei Jahren eine vernünftige Regierung bilden und eine unabhängige Justiz schaffen. Danach höre ich mit der Politik auf. Aber ich werde mich weiter gesellschaftlich engagieren, für eine Zivilgesellschaft. Denn das Volk muss lernen, die Regierung zu kontrollieren."
Wie viele Georgier sich am 1. Oktober für den Milliardär und seine Partei entscheiden werden, ist schwer zu sagen. Die Meinungsumfragen variieren je nach Auftraggeber, die Ergebnisse reichen von 20 bis zu 70 Prozent der Stimmen für den Georgischen Traum.
1 comment:
Herr Ivanishvili muss sich schon vorwerfen lassen, dass seine Taten nicht seinen (schönen) Worten entsprechen. Denn sein auf ihn zentral zugeschnittener "Traum" ist nicht gerade ein Paradebeispiel demokratischer Parteiarchitektur. Seine von ihm bestimmten Kandidaten haben keine politische Erfahrung. Und wie er in nur zwei Jahren den Justizsektor umkrempeln will ist mir schleierhaft.
Er will notfalls mit eigenem Geld die Krankenversicherung finanzieren? Nun ja, das heißt ja wohl, dass er keine vernünftige Finanzierungperspektive für seine Politikziele hat.Im Übrigen könnte er sein Geld auch als Privatmann dem Volk zur Verfügung stellen, dafür müsste er nicht Präsident werden!
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