(kaukasische-post.com - 18. Juni 2012) Der Diplomat und Buchautor Fried Nielsen besuchte nach acht Jahren wieder Georgien.
Er war etwas unsicher, was ihn in Georgien des Jahres 2012 erwarten würde. Fried Nielsen, von 1992 bis 1995 ständiger Vertreter in der Deutschen Botschaft in Tiflis, hatte Georgien zum letzten Mal im Jahr 2004 besucht in der Delegation des damaligen deutschen Außenministers Joschka Fischer. Damals war der Eindruck Georgiens eher bedrückender als ein Jahrzehnt zuvor. Und heute? Der erste Eindruck? „Eigentlich war ich etwas enttäuscht. Die Fahrt vom Flughafen zur Stadtmitte verlief völlig normal.“ Fried Nielsen wollte schon wieder umkehren, erst als der Fahrer mitten in der Nacht das Hotel nicht finden konnte, war für den Georgien-Oldie unter den deutschen Diplomaten die Welt irgendwie wieder in Ordnung. „Da war ich dann doch wieder hier daheim.“
Am nächsten Morgen das Ritual wie beim ersten Besuch in Tiflis am 8. August 1992: ein langer Spaziergang durch die Stadt und ein völlig neues Bild. „Noch nie habe ich in Tiflis so viele Menschen arbeiten sehen.“ Nielsen fällt die positive Atmosphäre auf in der Stadt, die Kleidung ist bunter geworden, nicht mehr nur schwarz. „Eine Stimmung, dass man was reißen und machen kann, dass man sein Leben aus eigenem Antrieb gestalten kann. Diese Stimmung ist neu für mich.“
Es wird gebaut. Aber was wird gebaut? Und wie wird gebaut? „Ja, ja, ich weiß, diese Brücke aus Glas, die Friedensbrücke.“ Man müsse sie nicht schön finden. Aber, dass sie das Stadtbild zerstöre, wie man ihm in Deutschland immer wieder suggerierte, „das ist Quatsch. Georgien braucht auch Momente moderner Architektur, um sich neu zu erfinden.“ Und ob am Aghmaschenebeli-Prospekt alle Feinheiten des Denkmalschutzes berücksichtigt wurden, müsse er auch nicht bewerten. In Baku jedenfalls sei man weitaus unsensibler mit dem Stadtbild umgegangen als in Tiflis.
Fried Nielsen |
Und dann schweift er in die Geschichte ab, auch in die eigene: Schewardnadse habe in schwierigsten Zeiten die Grundlage gelegt für eine Entwicklung, von der auch seine Nachfolger profitieren. Und das mit kräftiger Unterstützung durch Deutschland. Nielsen erinnert sich an erste Berichte der neu errichteten Botschaft ans Amt, so heißt das deutsche Außenministerium unter Insidern. „Wir müssen unser Geld in die Modernisierung des georgischen Rechts stecken“, drahtete die Botschaft in Tiflis. Der Beginn einer Erfolgsstory: „Was dann mit deutscher Hilfe geschehen ist, hat das Fundament geschaffen, auf dem Staat, Verwaltung und Wirtschaft heute aufbauen.“
Nielsen ist nicht in offizieller Mission in Georgien. Während der deutschen Woche stellt er sein drittes Georgien-Buch vor, nach zwei Auflagen seines Erzähl-Klassikers „Wind, der weht“ eine georgische Antologie mit Texten über Georgien von der Antike bis heute. Was kaum jemand weiß: Mit rund 1.000 Titeln besitzt Fried Nielsen eine der größten Georgika-Bibliotheken. Sie könnte demnächst erweitert werden, denn das Urgestein der nachsowjetischen deutschen Diplomatie in Georgien plant ein weiteres Buch, eines über Tiflis. Sein Kurzbesuch von einer Woche, der erste nach neun Jahren, hat ihn wieder motiviert.
Eine Story dieses Buches dürfte unvermeidlich sein: Die Klage Nielsens über das Verschwinden des Laghidze-Restaurants auf dem Rustaweli. Ein Stück Kulturgeschichte Georgiens ist da verschwunden, als die mit Marmorplatten ausgestaltete Trinkhalle einem modernen Bekleidungsgeschäft weichen musste. Der deutsche Filmemacher und Regisseur Stefan Tolz, der seit Jahren in Tiflis wohnt, bereitet derzeit einen Film über Mitrophane Laghidze vor, den Apotheker, dessen Fruchtsaft-Konzentrate, verdünnt mit Mineralwasser, mehrere Generationen von Georgiern liebten und schätzten. Heute kommen die Konzentrate für Erfrischungsgetränke aus Übersee. Und einer der Enkel Laghidzes arbeitet längst für eine Marke mit weltweiter Präsenz. Und Fred Nielsen würde viel dafür geben, in dem Film eine kleine Nebenrolle spielen zu dürfen…
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