Thursday, March 27, 2014

LITERATUR: Schreiben über die Ränder Europas – Sachbücher im Gespräch - Lesung und Diskussion mit Ulrich Ladurner und Stephan Wackwitz (berlin.de)

Moderation: René Aguigah und Jens Bisky

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berlin.deEs gibt Ränder, die in der Mitte liegen. Städte wie Tiflis, Baku oder Eriwan zum Beispiel – weshalb Stephan Wackwitz, Leiter des Goethe-Institutes in Tiflis, sein dort geschriebenes Buch "Die vergessene Mitte der Welt" (S. Fischer) genannt hat. Oder auch die Insel Lampedusa: An der äußersten Grenze der EU gelegen, mitten im Mittelmeer, ist sie für unzählige Flüchtlinge der Inbegriff Europas. Ulrich Ladurner, Politikredakteur bei der Wochenzeitung Die Zeit, erzählt in seinem neuen Buch die „Große Geschichte einer kleinen Insel” (Residenz Verlag). Wie lässt sich Europa von seinen Rändern her verstehen? Und wie schreiben sich Texte, die zugleich Reisebericht und Essay sind, Kulturgeschichte und politisches Buch? Wie stets geht es auch an diesem zweiten Abend unserer neuen gemeinsamen Reihe mit Deutschlandradio Kultur „Sachbücher im Gespräch“ um eine Poetologie des Sachbuchs. In Zusammenarbeit mit Deutschlandradio Kultur. Ein gekürzter Mitschnitt des Abends wird in den kommenden Wochen von Deutschlandradio Kultur gesendet.
Öffnungszeiten: 20.00

Wann: Mittwoch, 02.04.2014

Wednesday, March 26, 2014

VIDEO: Buchmesse Leipzig: Stephan Wackwitz (3sat.de/mediathek)

(3sat.de/mediathekZu Gast am 3sat-Stand: Georgien, Armenien, Aserbaidschan: Stephan Wackwitz berichtet in "Die vergessene Mitte der Welt", erschienen bei S. Fischer, vom Wandel dieser Länder 20 Jahre nach der Loslösung von der Sowjetunion.

Video >>>

Sunday, March 23, 2014

STADTENTWICKLUNG: Baku im Bleichwaschgang. Von Wojciech Czaja (derstandard.at)

(derstandard.at) Zwei Jahre nach dem Eurovision Song Contest will Baku hoch hinaus. Und zwar leider um jeden Preis. Ein Spaziergang durch die Baustelle des Investorenwunderlands Baku White City 

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Ein Stück Paris aus der Retorte: Die Bauten in der neuen Baku White City ...



Es staubt im Gegenlicht. Die Bauarbeiter stehen auf dem Gerüst und stemmen, Stein für Stein, ein kleines, neues Paris in die Höhe. Dass sich hinter den Sandsteinplatten und den maschinell gefrästen Kapitellen eine Stahlbetonkonstruktion mit Hochlochziegelwand verbirgt, ist eine kunstgeschichtliche Unschärfe, die hier niemanden zu kümmern braucht. Das neue Evlari-Palais in der vorerst noch namenlosen Straße ist ein erster Vorbote des 50.000-Einwohner-Stadtteils Baku White City.

Aus Black mach White 

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18.000 Neubauwohnungen
"Cities have never been growing so quick" lautet der Slogan der weißen Stadt, die auf dem Gelände der ehemaligen Baku Black City aus dem Erdboden gestampft wird. Und tatsächlich ist die Geschwindigkeit, mit der man hier Stadt zu bauen gedenkt, nicht zu übertreffen: Wo seit 1860 fast 150 Jahre lang Erdöl gelagert und raffiniert wurde, sollen schon bald glückliche Menschen mit Gucci-Clutch, vollen Einkaufstaschen und Fotoapparat durch den Großstadtdschungel schreiten. So versprechen es zumindest die Visualisierungen der Azerbaijan Development Company (ADEC), die das ambitionierte Stadtquartier auf Geheiß von Präsident Ilham Aliyev aus der Taufe hebt.

 
"Wissen Sie, die Qara Seher (Black City, Anm.) ist ein Stück Geschichte dieser Stadt, auf die eigentlich niemand so richtig stolz ist", erklärt Fuad Verdiyev, Head of Development bei ADEC, im Gespräch mit dem STANDARD. "Natürlich wurde hier große aserbaidschanische Geschichte geschrieben, denn schließlich verdanken wir dem Erdöl unseren Reichtum, aber in einer modernen, weltoffenen Stadt des 21. Jahrhunderts ist dafür kein Platz mehr."

"Europaspiele" auf asiatischem Boden

Stolz steht Verdiyev vor dem zehn mal zehn Meter großen Stadtmodell im Erdgeschoß des provisorischen Bürohauses. Das richtige ADEC-Headquarter, ein weißes, futuristisches Ei mit 13 Stockwerken, befindet sich auf dem Grundstück nebenan. Der Rohbau ist bereits abgeschlossen. Der Kontrast zu den benachbarten Pariser Palais im Stile Baron Haussmanns könnte dramatischer nicht sein.

"Bald werden wir übersiedeln und das Wachsen der Stadt dann vom letzten Stockwerk aus kontrollieren. Und wie Sie sehen, bauen wir sehr schnell." Bis Sommer nächsten Jahres soll ein Teil der blitzblank polierten White City fertiggestellt sein. Dann nämlich finden in Baku die Europaspiele 2015 statt. Das neu erfundene Sportevent, das kurioserweise auf asiatischem Boden stattfindet, soll darüber hinwegtrösten, dass Aserbaidschan mit seiner Bewerbung für die Olympischen Spiele 2016 zugunsten von Rio de Janeiro scheiterte.

Stadtplanung? Fehlanzeige

"Aber natürlich schaffen wir das!" Verdiyev duldet keine Zweifel. Die juristischen Rahmenbedingungen helfen der Geschwindigkeit auf die Sprünge. Die Baku White City, ein Entwurf des Londoner Stadtplanungsbüros Atkins, wurde direkt beauftragt und wird in Großbritannien unter Zuhilfenahme von F+A Architects und Großmeister Norman Foster generalgeplant. Wettbewerb? Fehlanzeige. Umweltverträglichkeitsprüfungen? Fehlanzeige. Langfristiges Grünraum- und Verkehrskonzept? Fehlanzeige.

"Seien Sie doch bitte nicht so pessimistisch! Wir wissen genau, was wir tun." Einst erstreckten sich die Öl- und Raffineriefelder über 220 Hektar. Im Jahr 2000 wurde das einst schwarze Land umgewidmet, 2007 schließlich startete die Dekontaminierung des Bodens. Je nach Kontaminationsgrad wurde der Boden bis zu einer Tiefe von drei bis sieben Metern abgegraben und außer Stadt gebracht. Wohin, ist unbekannt. Das wisse er nämlich nicht so genau, meint ADEC-Chef Fuad Verdiyev. Fest steht jedoch, dass die White City schon in wenigen Jahren ein pulsierendes Zentrum sein werde.

Ausschließlich Eigentumswohnungen

18.000 Wohnungen und 48.000 Arbeitsplätze, diverse Hotels, Einkaufsboulevards, ein Riesenrad, eine Konzerthalle und die mit 400.000 Quadratmetern größte Shoppingmall der gesamten kaspischen Region sind hier geplant. Dass die Wohnungen ohne Haustechnik, also ohne Heizung und ohne Kühlung übergeben werden, sei ein "nicht so interessantes Detail am Rande, über das Sie nicht zu schreiben brauchen", versichert Verdiyev. "Schließlich können die Bewohner die Haustechnik individuell nachrüsten. Platz für Heiz- und Kühlgeräte ist in jeder Wohnung in Form eines kleinen hofseitigen Balkons geplant." Ein neuer Stadtteil mit 18.000 Heizkesseln an der Fassade? In Baku kein Problem.

Nicht nur die ökologische, auch die soziale Nachhaltigkeit wird in der White City großgeschrieben, denn schließlich plane man eine "durchmischte Stadt für jedermann". Wie sich dieses überaus ambitionierte Ziel mit der Tatsache verträgt, dass die 18.000 Neubauwohnungen trotz traditionell ausgeprägter Mietkultur in Baku ausschließlich in Eigentum auf den Markt gebracht werden und die Rohbau-Kaufpreise bei 1200 Manat (circa 1100 Euro) pro Quadratmeter starten, bleibt bei diesem Exklusivtermin eine ebenso unbeantwortete Frage wie alle anderen auch.

"Darum kümmern wir uns nicht"

Wann sollen denn die Wassertaxis und die Straßenbahnlinien errichtet werden, die man hier im Modell sieht? "Das ist nur ein Vorschlag von uns. Darum kümmern wir uns aber nicht. Wir kümmern uns nur um die Bebauung. Die gesamte Infrastruktur und die Planung des öffentlichen Verkehrs ist nämlich Aufgabe der Stadtverwaltung, auf die wir aber leider keinerlei Einfluss haben."

Wie viele Investoren am Bau der neuen Weißstadt beteiligt sind, wird geheim gehalten. Wie viel Prozent des neuen Areals bereits finanziert sind, könne man nicht so genau sagen. Und wie groß das Gesamtinvestitionsvolumen der Baku White City ist? "Kein Kommentar." Aber so viel sei sicher: "Bitte kommen und investieren Sie! Die ADEC ist ein offenes, transparentes und investorenfreundliches Unternehmen!"

In Baku ist alles möglich

Die nebulose Genese der Baku White City ist kein Einzelfall. Superlative um jeden Preis hat in dieser Stadt Tradition. Für das neue und in Lifestyle-Medien bereits vielfach publizierte Heydar Aliyev Cultural Center von Zaha Hadid musste ein ganzes Wohnviertel planiert werden. Dennoch: Knapp zwei Jahre nach Fertigstellung steht das 60.000-Quadratmeter-Museum fast leer - darüber ist in den Blogs und Hochglanzzeitschriften nichts zu lesen.

Und die nächsten Megaprojekte stehen bereits in den Startlöchern: Coop Himmelb(l)au etwa plant ein riesengroßes Kongresszentrum sowie das neue Hauptquartier der Central Bank of Azerbaijan (CBA). Und das Wiener Büro Hoffmann+Janz, das an der Küstenpromenade bereits das metaphorisch etwas plump geratene, nicht sonderlich subtile Teppichmuseum in Form einer 120 Meter langen, liegenden Teppichrolle baute, arbeitet bereits an einem Hochhaus, an einem Wasserpavillon im Kaspischen Meer sowie an einem neuen Sportzentrum, das im April eröffnet werden soll.

"Letztentscheidung hat immer der Präsident"

"In Baku wird mit anderen kulturellen Maßstäben gemessen als bei uns", erklärt Teppichrollen-Architekt Franz Janz auf Anfrage des STANDARD. "In gewisser Weise ist in Aserbaidschan alles viel einfacher, denn die letzte Entscheidung hat immer der Präsident." Und Wolf Prix von Coop Himmelb(l)au meint: "Die neuen Bauten und Stadterweiterungsprojekte schaden der Stadt mehr, als sie ihr helfen, denn sie mögen für sich allein eine gewisse Qualität aufweisen, aber ein zusammenhängender, städtebaulicher Überbau ist nicht zu erkennen."

Und das ist sehr schade, denn Baku mit seiner Unesco-geschützten Altstadt, seinen vielen Fußgängerzonen und seinen in den letzten Jahren sehr aufwändig historisierten Boulevards ist nicht nur eine sehr schöne, sondern auch gut funktionierende und vielfach unterschätzte Stadt. Vom einzigartigen Ambiente der Drei-Millionen-Metropole, dem auch die schwarze Ära von Erdöl und Kommunismus nichts anzuhaben schien, ist in der neuen, weißgewaschenen White City nichts zu merken. In der Euphorie hat die Immobilienwirtschaft hier etwas zu viel Bleichmittel beigesetzt. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 22.3.2014)

Friday, March 21, 2014

RADIO: Der Schriftsteller, Weltenbummler und Kulturvermittler Stephan Wackwitz im Samstagsgespräch mit Michael Struck-Schloen [ardmediathek.de]

WDR 3 Samstagsgespräch: Podcast zum hören (15.03.2014) [WDR 3]


Stephan Wackwitz auf facebook: "Allein in einem Studio des leeren BR-Funkhauses am Samstagmorgen um zehn vor acht. Kaffee im Styroporbecher. Wunderbare georgische Musikbeispiele. Kluge Fragen und die sympathische Stimme von Herrn Struck-Schloen, der vom Sirius zugeschaltet sein könnte, aber in Wirklichkeit in Köln sitzt, wahrscheinlich auch in einem wochenendmorgendlich leeren Studio: Medialer Surrealismus, wo man gerne hingeht."

Seit zwei Jahren leitet Stephan Wackwitz das Goethe-Institut in Tiflis, dort hat er den Machtwechsel in Georgien miterlebt, aber auch die Nachbarländer Aserbaidschan und Armenien bereist. Von der uralten Kultur in der Region im Schatten des Kaukasus handelt sein neues Buch. Seit den späten 1980er Jahren ist Stephan Wackwitz als Kulturvermittler im Auftrag des Goethe-Instituts weit herumgekommen. Nach Stationen in Delhi, Krakau, Bratislava und New York hat es ihn vor zwei Jahren nach Tiflis verschlagen. Überall betätigt Wackwitz nicht nur als Kulturveranstalter, sondern auch als aufmerksamer Spaziergänger, der seine Beobachtungen in Essays fließen lässt. Aus der Distanz der Ferne blickt er jedoch auch auf die eigene Familiengeschichte, die er in autobiografischen Romanen gestaltet hat. 

Buchhinweis: Stephan Wackwitz: Die vergessene Welt der Mitte. Unterwegs zwischen Tiflis, Baku und Eriwan. S. Fischer Verlag, 19,99 Euro.

Thursday, March 20, 2014

Einladung zum TREFFPUNKT: KAUKASUS: Wirtschaft und Zivilgesellschaft - Wege zur Kooperation

Wann: 24. März 2014, 18.00 bis 21.00 Uhr
Wo: OeKB Reitersaal, Strauchgasse 3, 1010 Wien

Wie kann die Zusammenarbeit und Kooperation zwischen Wirtschaftspartnern und zivilgesellschaftlichen Akteuren funktionieren? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein und wie können solche Partnerschaften forciert und unterstützt werden?

VertreterInnen aus dem NGO-Sektor sowie Wirtschaftspartner berichten von ihren Erfahrungen.

Dabei fokussieren wir uns in der Diskussion speziell auf den Süd-Kaukasus: Inwiefern wird der Ansatz einer gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen rezipiert? Auf welche spezifischen Herausforderungen treffen die verschiedenen Akteure hier? Genauere Informationen zum Programm sowie unseren Podiumsgästen finden Sie in der Einladung im Anhang. Um unsere Planung zu erleichtern, freuen wir uns über Ihre Anmeldung bis 20. März 2014 an: iz@iz.or.at

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

Mit besten Grüßen

Das TREFFPUNKT: KAUKASUS Team

iz.or.at

Verein Interkulturelles Zentrum
Lindengasse 41/10, 1070 Wien
T: 01/586 75 44
F: 01/586 75 44-9
E: iz@iz.or.at

SCANDAL: Georgia Opts for Gold Mining at Protected Historical Site. By Paul Rimple (eurasianet.org)

(eurasianet.org) It turns out the choice between gold and historical preservation is an easy one to make for officials in Georgia: the government is going for gold.


EurasiaNet.org has learned the Georgian Ministry of Culture and Heritage Protection has given Russian-owned mining company RMG Gold the green light to excavate gold from Sakdrisi-Kachagiani, a nine-hectare site in southeastern Georgia that many archeologists claim contains the remnants of one of the world's oldest gold mines. In 2004, archeologists from the National Museum of Georgia and the German Mining Museum unearthed caves and mining tools at the site that are believed to date to the third millennium, BC.

It is uncertain when the company will begin mining the site. Approximately half of its workforce has been on strike since January 24, seeking higher wages. Some critics hint the company is using the archeological controversy as cover for questionable labor practices.

Opponents are also upset with the government’s evident willingness to allow the destruction of what may be a unique site. Officials have additionally brushed off a call by civil-society activists for an independent study into Sakdrisi the site’s archeological significance.

During a March 17 trip by a EurasiaNet.org correspondent to the area, accompanied by government representatives, two manned security vehicles sat outside the entrance to Sakdrisi-Kachagiani. The company continues to block entrance to the site, even to Ministry of Environment officials.  It cites the potential for damage by outsiders and lingering issues about the site’s status as the cause.

Caves and mining tools discovered at the site during a 2004 excavation by the National Museum of Georgia and the German Mining Museum are believed to date to the third millennium, BC.

But in its March 14 decision, the Culture Ministry cited a supposed lack of proof that Sakdrisi had ever functioned as a gold mine as a reason for lifting the site's protected status as a a "cultural monument." For the past eight years, Sakdrisi had enjoyed protection, a designation that prevented mining at the site, located near the village of Kazreti, where a vast copper mine owned by RMG Gold's sibling, RMG Copper, is located.

In a March 13 discussion with university students, Prime Minister Irakli Gharibashvili indicated that another factor played into the government’s decision to lift the site’s protected status. Noting the supposed lack of evidence for Sakdrisi's past, the prime minister stressed that RMG Gold has invested $300 million into the Georgian economy and employs 3,000 people. For a country with an official unemployment rate of 16 percent, an economic growth rate of under 2 percent such earnings and employment figures are not exactly trivial. In addition, the government experienced a drastic shortfall in tax revenues for 2013.

RMG Gold, an entity that evolved from Georgia’s former mega-mining company Madneuli, is believed to rank as one of the country's largest taxpayers. RMG Gold executives claim that to find fresh gold and maintain their operations, they need access to Sakdrisi-Kachagiani. With gold prices now at $43.67 per gram, it appears it wasn’t difficult for officials to buy into RMG Gold’s argument. In 2013, gold accounted for 2.9 percent ($35.52 million) of the country’s export earnings.

Gocha Aleksandria, vice-president of the Georgian Trade Union Confederation, is among RMG Gold’s critics who note that the company started complaining about the Sakdrisi ban’s adverse impact on earnings only after it was hit with a strike.  RMG Gold representatives have claimed that as long as they can’t mine the area, they cannot pay higher wages or keep on idle workers. On January 31, one week after the strike began, the company dismissed 184 workers allegedly for these reasons.

"We see it as retaliation for the strike,” Aleksandria said, speaking for the confederation's membership.

The government has appointed mediators to settle the strike, but Aleksandria says the process is moving slowly. Even with a full work force, Mikheil Kvaratskhelia, head of RMG Gold's Health, Safety and Environment Department, reckons it will be "a couple of years" before the Sakdrisi-Kachagiani site is blasted for mining.

Skirting Sakdrisi-Kachagiani, the last in a series of five ore pits, is not an option, the company says. Geologists claim that ore from the site, believed to be the richest in gold, must be blended with that from the four other pits to get a consistent grade of gold.  Preliminary exploration work has only just begun on the first pit, about two kilometers away.

Civil-society activists are bracing for a long fight. "The government has a responsibility to explain, to argue its position, not just ignore [opponents]," commented Kakha Bakhtadze, a representativer of the Caucasus Environmental NGO Network (CENN), one of the signers of a petition to Prime Minister Gharibashvili to preserve Sakdrisi's protected status.

The disregard that officials have exhibited toward those Georgians who want to protect Sakdrisi, "means that tomorrow the government can decide to destroy another cultural monument and do what it wants," Bakhtadze alleged.

The message the Culture Ministry is sending is mixed. In a March 14 statement, it called the claims about Sakdrisi's archeological value a "myth," yet it also announced intentions to invite independent international experts to monitor RMG Gold's mining at the site in case of "some scientific" discovery.

For Irakli Matcharashvili, program coordinator at Green Alternative, another of the Georgian NGOs opposing the ministry's decision, the plan makes no sense. "If this is a myth, why do they need a commission of experts? It's just words."

RMG Gold spokesperson Ekatarina Jojua has no information about a potential monitoring. "It's beyond our scope," Jojua said. "It's not clear who or how this will be done. It's up to the ministry."

Bakhtadze, the CENN representative,believes the government is suffering from short-sightedness. "The mine might be around for five or ten years. That's all. They will have destroyed the environment and [our] cultural heritage."


Editor's note: Paul Rimple is a freelance reporter based in Tbilisi.

Sunday, March 16, 2014

LEIPZIGER BUCHMESSE: Interview mit Stephan Wackwitz zur Lage in der Ukraine versus Georgien. (deutschlandfunk.de/leipziger-buchmesse)

Hören: Interview von "Andruck"-Redakteur Thilo Kößler mit Stephan Wackwitz

(deutschlandfunk.de/leipziger-buchmesse) Der östliche Rand Europas steht mit der Krise in der Ukraine aktuell im Blick der Öffentlichkeit. Vieles erinnert an den Umbruch in Georgien. Den dortigen Machtwechsel 2012 hat Stephan Wackwitz miterlebt. Er leitet das Goethe-Institut in Tiflis und hat nun ein Buch über diese Region geschrieben - über "Die vergessene Mitte der Welt".

Namentlich geht es um Georgien und seine Nachbarländer Armenien und Aserbaidschan. Länder zwischen Tradition und Moderne, noch immer auf der Suche nach der angemessenen Staatsform, im ständigen Wandel und unter Einfluss Europas wie auch Asiens.

Allerdings fühlten sich die Georgier Europa sehr viel näher, betonte Wackwitz im Interview mit "Andruck" auf der Leipziger Buchmesse. Und Deutschland werde als Brücke zur westlichen Welt wahrgenommen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Thursday, March 13, 2014

KONFERENZ: Von Tschetschenien bis Syrien. Jonathan Littell im Gespräch mit Eyal Weizman (hkw.de)

(hkw.de) Die Literatur von Jonathan Littell, vor allem sein Bestseller Die Wohlgesinnten, zeichnet sich durch eine entschieden forensische Sensibilität für Räume, Ruinen und den menschlichen Körper aus. In diesem Gespräch werden die Ursprünge von Littells literarischer Sensibilität auf seine Arbeit als humanitärer Helfer während des Tschetschenienkriegs und seines späteren Kriegsjournalismus in Syrien und anderswo zurückverfolgt.

Jonathan Littell ist Autor des Romans Les Bienveillantes (Gewinner des Prix Goncourt und des Literaturpreises der Académie Française, Éditions Gallimard, 2006), auf Deutsch erschienen unter dem Titel Die Wohlgesinnten, und einiger anderer Werke. Davor war er für die NGO Action Contre la Faim in Bosnien, Tschetschenien, Afghanistan und der Demokratischen Republik Kongo tätig.

Eyal Weizman ist Architekt, Professor für Spatial and Visual Cultures und Direktor des Centre for Research Architecture am Goldsmiths, University of London. Seit 2011 leitet er außerdem das Projekt Forensic Architecture. 2007 war er Mitbegründer des Architekturkollektivs DAAR (Decolonizing Architecture Art Residency) im palästinensischen Beit Sahour. Zu seinen Büchern gehören Mengele’s Skull: The Advent of a Forensic Aesthetics (Sternberg Press, 2012, mit Thomas Keenan), The Least of all Possible Evils: Humanitarian Violence from Arendt to Gaza (Nottetempo 2009; Verso, 2011), Hollow Land (Verso, 2007) und A Civilian Occupation (Verso, 2003). Er arbeitete weltweit mit einer Vielzahl von NGOs und war im Vorstand von B’Tselem. Eyal Weizman studierte Architektur an der Architectural Association in London und promovierte am Birkbeck College/London Consortium, University of London. 

Konferenz
Eintritt im Ausstellungsticket enthalten

Mit Simultanübersetzung Deutsch und Englisch
 
Programm „Forensis“

Wednesday, March 12, 2014

PRESSEFREIHEIT: "Jetzt ist die Angst weg". Medien in Georgien nach Saakaschwili. Von Jana Demnitz (deutschlandradiokultur.de)


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(deutschlandradiokultur.de) Micheil Saakaschwili war ein Hoffnungsträger in Georgien, aber er hat seine Landsleute, auch die Journalisten bitter enttäuscht. Heute, nach dem Abtritt Saakaschwilis, gibt es in Georgien zwar keine Zensur mehr, trotzdem bleibt eine ausgewogene Berichterstattung die Ausnahme.


Ein Blick in die Magazin-Redaktion "Liberali" in der Hauptstadt Tiflis.
Ein Blick in die Magazin-Redaktion "Liberali" in der Hauptstadt Tiflis. (Jana Demnitz)
Es ist Punkt 20 Uhr - soeben beginnen die Hauptnachrichten des georgischen Fernsehsenders "Imedi". Der Journalist und Moderator Levan Javakhishvili begrüßt die Zuschauer und stellt die Themen des Abends vor - georgische Innenpolitik, etwas Außenpolitik, Kultur und das Wetter. Der Privatsender bietet den Menschen vor den Fernsehgeräten auch heute wieder einen bunten Themenmix.

Levan ist ein großgewachsener, stattlicher Mann mit braunen Haaren und grünen Augen, der, sobald das rote Studiolämpchen angeht, sein smartestes Moderatoren-Gesicht anknipsen kann. Manchmal kann er es selbst kaum glauben, dass er wieder hier im Studio sitzt, in die Kamera schaut und die Zuschauer über die wichtigsten Geschehnisse in Georgien und in der Welt informiert:

"Wieder hier zu sein, ist für mich ein ganz besonderes Gefühl. Ich war ja seit der ersten Nachrichtensendung im Jahr 2003 dabei. Dieser Sender ist mein Zuhause. Es fühlt sich einfach so an, wie nach Hause zu kommen. Allerdings bin ich nur zurück gekommen, weil mich die Besitzer von ´Imedi` persönlich darum gebeten haben."

2001 wurde die Mediengesellschaft "Imedi" vom georgischen Oligarchen Badri Patarkazischwili gegründet, 2003 ging TV-"Imedi" auf Sendung - kurz vor dem Amtsantritt des westlich orientierten georgischen Politikers und damaligen Hoffnungsträgers Micheil Saakaschwili. Der junge und charismatische Politiker wurde im Januar 2004 Nachfolger des zuvor durch die Rosenrevolution gestürzten Präsidenten Eduard Schewardnadse.

Nach der korrupten und politisch instabilen Schewardnadse-Ära hofften die Georgier und mit ihnen die Journalisten auf eine neue Epoche der Freiheit, Demokratie und des wirtschaftlichen Aufschwungs. Wie nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der neunziger Jahre konnten sie auch jetzt wieder kritisch und unabhängig über die Missstände im Land berichten. Es fegte damals ein "Wind of Change" durch Georgien, sagt Levan Javakhishvili. Seine Augen leuchten und man sieht ihm an, dass es eine befreite Zeit gewesen sein muss - nach all den Jahren der Repression.

"Nach Schewardnadse und der Rosenrevolution dachten viele Menschen, wir werden endlich ein normales Leben hier haben. Aber zwischen 2003 und 2004 wurde wieder ein TV-Sender geschlossen. Das war das erste Signal." 

Sondereinheit stürmte 2007 den Sender "Imedi"

2007 hatte die Offenheit dann auch bei "Imedi" ein Ende: Der TV-Sender hatte über den Missbrauch von öffentlichen Geldern verschiedener Ministerien berichtet, die Menschen in Georgien gingen auf die Straße, um gegen die Korruption zu protestieren. Der Druck auf den Präsidenten wuchs täglich.

Als sich der Oligarch Patarkazischwili dann auch noch auf die Seite der Opposition schlug, fiel sein Sender gänzlich in Ungnade bei Saakaschwili und dessen regierender Partei "Vereinte Nationale Bewegung". Am 7. November 2007 stürmte schließlich eine vermummte Sondereinheit während einer Livesendung das Fernsehstudio am Rande der Stadt und zwang die Journalisten vor laufenden Kameras, den Sendebetrieb einzustellen.

Levan Javakhishvili geht über die Flure des heute mit meterhohen Zäunen und Kameras gesicherten Medienhauses. In dem Studio, in dem er damals mit einer Kollegin die Abendnachrichten moderierte, ist es heute dunkel, verkramt, vereinzelt stehen alte Kulissen herum. Mit versteinerter Miene zeigt er hinauf zu einer verglasten Wand, durch die man direkt in das Studio schauen kann. Dort standen damals die vermummten Männer mit ihren Gewehren und starrten zu ihnen hinab.

"Wir wurden über die Kopfhörer informiert, dass eine Spezialeinheit in den Sender eingedrungen war. Als ich realisierte hatte, was passiert ist, sagte ich zu den Zuschauern: ´Bewaffnete Männer haben gerade unseren Sender "Imedi" besetzt.` Dann kamen zwölf Maskierte in das Studio, richteten ihre Kalaschnikows auf uns und sagten, wir sollen mit der Sendung aufhören."

Sie hatten damals Todesangst, sagt Levan Javakhishvili. Keiner von den Redakteuren, Kameraleuten und Technikern wusste, ob sie jemals lebend wieder hinaus kommen würden. Ihre Telefone klingelten unaufhörlich, jeder sah ja live im Fernsehen, was gerade bei "Imedi" passierte. In einer kurzen Ansprache erklärte der Chefredakteur dem Fernsehpublikum die Situation und bat um internationale Hilfe. Der Bildschirm wurde schwarz, das Programm war beendet.

Stunden später wurden die Mitarbeiter frei gelassen, wenige Wochen darauf wurde der Besitzer enteignet. Investigativer und unabhängiger Journalismus wurde in den Folgejahren immer schwieriger. Hintergrundrecherchen waren fast unmöglich, weil keiner Auskunft geben konnte oder wollte. Wenn Kritik irgendwo vorkam, konnten wegen der begrenzten Sendereichweiten nur wenige Menschen diese hören oder sehen.

Drohungen müssen Journalisten in Georgien nicht mehr fürchten

Erst mit dem politischen Machtwechsel in Georgien im Herbst 2012, als bei der Parlamentswahl die Saakaschwili-Partei unterlag, wurde der Oligarchen-Familie Patarkazischwili die "Imedi"-Mediengesellschaft wieder übertragen. Heute regiert in Georgien das Parteienbündnis "Georgischer Traum" des Milliardärs und Ex- PremierministersBidsina Iwanischwili. Unter dieser neuen Regierung und dem alten Arbeitgeber kehrte auch Moderator Levan Javakhishvili zurück ins Scheinwerferlicht. Drohungen, Einschüchterungen und Enteignung müssen Journalisten und Medienunternehmen im heutigen Georgien nicht mehr fürchten.

"Heute gibt es in Georgien zwar keine Zensur mehr oder andere Beschränkungen, aber dafür haben wir private Sender, die entweder für oder gegen die Regierung, oder für oder gegen die Opposition berichten. Viele Journalisten haben keine eigene Meinung. Sie sind nicht frei in ihrem Denken. Obwohl sie gar keine Angst vor irgendeinem Druck haben müssen. Viele sehen ihre Aufgabe nicht darin, über etwas nur zu berichten, sondern sie wollen selbst mit Einfluss auf die Politik nehmen. Sie sind einfach nicht unabhängig in ihrer Berichterstattung."

In der Liberali-Redaktion wird fleißig in die Tasten gehauen. In dem modernen Großraumbüro in Zentrum von Tiflis sitzen junge und stylisch gekleidete Frauen und Männer vor ihren riesigen Monitoren, an den Wänden hängen großflächige Fotografien von Demonstrationen für Demokratie und Menschenrechte. In wenigen Stunden muss die nächste Ausgabe des unabhängigen und kritischen Politikmagazins fertig sein.

Politikchef Irakli Absandze, ein kleiner, runder und sympathischer Mann mit Nickelbrille und Spitzbart, bespricht mit allen noch einmal die letzten Details. Ein Thema des nächsten Hefts ist der Widerstand der Orthodoxen Kirche gegen ein Obdachlosenheim für Homosexuelle in Tiflis. Das sei genau ein Thema für das "Liberali" steht, sagt Irakli Absandze, der in Deutschland Politikwissenschaft studiert hat.

"Wir schreiben sehr gerne über marginalisierte Schichten in der Gesellschaft, oder die solche Gefahr haben zum Beispiel ethnische Minderheiten, soziale Minderheiten. Wir schreiben gerne über Werte, was uns mit der westlichen Welt vereint, was die sind und woher die kommen. Und wir versuchen möglichst kritisch zu sein. Damit wir unsere Watcher-Funktion wirklich wahrnehmen können. Wir wollen nicht nur eine Informationsquelle für unsere Leserschaft sein, sondern wir wollen auch, dass georgische Politiker uns als Handwerk benutzen."

Investigative Journalisten publizieren im Internet

"Liberali" - das Magazin mit dem rot-weißen Logo und einem großflächigen Foto auf dem Cover wird in den Augen der sieben Festangestellten und der Handvoll freien Mitarbeiter vor allem auch für die so genannten Entscheider in Georgien gemacht. Für diejenigen, die die Geschicke des Landes mitbestimmen. Irakli Absandze selbst kam erst 2012 zu dem Magazin, das 2009 zum ersten Mal erschien. Vorher war er jahrelang bei einem privaten Fernsehsender in der Stadt Poti im Westen des Landes angestellt. Wegen seiner kritischen Berichterstattung wurde er zu Michail Saakaschwilis Zeiten abgehört, bedroht und verhört. Heute sagt er über die Arbeitsbedingungen von Journalisten in Georgien:

"Es ist deutlich besser geworden. Wir haben Luft zum Atmen. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht mehr beobachtet werde, wie zu Michas Zeiten. Das Handy wird nicht mehr abgehört. Alles, was ich schreibe, auch kritische Sachen, sorgt nicht über meine berufliche Zukunft. Ich bekomme keine komischen Anrufe."

Das Privatfernsehen ist der Goliath, gegen den ein monatliches Magazin wie "Liberali" nur verlieren kann. Und so hoffen die investigativen Journalisten hier im Büro mit ihren Kopfhörern im Ohr und ihren Kaffebechern vor der Nase vor allem auf die Wirkung ihrer gut recherchierten Geschichten über korrupte Beamte und homophobe Kirchenvertreter und vor allem auf ihre Leser im Internet. Denn die sind, glaubt man den Analysen, gebildet, gut informiert und vor allem jung - zwischen 18 und 45 Jahre. "Uns liest man im Web", fasst Irakli Absandze kurz und knapp zusammen. Monatlich würden 30.000 bis 40.000 Menschen die "Liberali"-Artikel im Netz anklicken, sagt er. Genau das sei die Hoffnung für den georgischen Journalismus.

Nur wenige Kilometer entfernt von der Imedi-Redaktion steht die Journalistin Edita Badasyan am Rustaweli Prospekt, der zentralen Hauptstraße von Tiflis, vor der glänzenden Fassade des Radison Hotels. Für die russische Internetzeitung "Kaukasischer Knoten" berichtet sie als Korrespondentin aus Georgien und der gesamten Kaukasusregion. Edita kritisiert das Selbstverständnis und die Arbeit vieler Journalisten im heutigen Georgien. Sorgfältige Recherche, Trennung von Meinung und Information sowie eine ausgewogene Berichterstattung seien vielen ihrer Kollegen fremd, sagt die Frau, die auch schon in Deutschland und Russland gearbeitet hat.

"Das Problem, das wir hier noch haben in unserer Medienlandschaft, ist, dass wir kaum objektive Medien haben. Wir haben pro Regierung oder ganz anti Regierung. Etwas Balanciertes haben wir kaum. Wir haben sehr viele Zeitungen, die xenophobe Aussagen haben, gegen Minderheiten, nationale, sexuelle, religiöse Minderheiten. Und diese Zeitungen werden nicht bestraft. Es wird kritisiert, aber das macht nichts. Die können weiter drucken und verkaufen. Es gibt keine Strafen für diejenigen."

Niedriges Gehalt und Blockaden in Behörden

Im Durchschnitt verdient ein Journalist in Georgien 250 bis 400 Euro im Monat, beim Fernsehen kann es bis zu 500 Euro sein - insgesamt liegt das durchschnittliche georgische Monatseinkommen bei 250 Euro. Viele ihrer Kollegen würden für mehrere Redaktionen gleichzeitig arbeiten, erzählt sie, oder nebenher etwas ganz anderes machen, um ihre Familie ernähren zu können. Und neben diesen Alltagssorgen kommen dann auch noch die täglichen Hürden der Recherche dazu. Im Vergleich zu früher seien die Behörden zwar auskunftsfreudiger, aber wenn es um die reine Faktenbeschaffung geht, stoße sie immer noch oft an Grenzen:

"Was wir jetzt brauchen, das ist wirklich noch schwer. Nur so Presseerklärungen und so. Aber jetzt mit Archiven und das alles, das ist noch zu für uns. Man kann über alles schreiben, es ist nur darum, wie man die Fakten kriegt. Natürlich, man kann sich wie ein Schriftsteller etwas ausdenken, aber wenn Du Fakten kriegen willst, das ist ein wenig schwer. Georgien ist nicht so ein großes Land, deswegen bekommen wir sehr viele Informationen von den Leuten. Das Problem ist, das alles nachzuweisen mit Unterlagen."

Dennoch scheint Georgien nach Jahren der politischen Spannungen, der wirtschaftlichen Misere und der Medienrepression auf einem guten Weg zu sein. Nur ein Beispiel dafür ist die Möglichkeit für Journalisten an Informationen über die Zustände in den Gefängnissen heranzukommen. War dies unter Präsident Saakaschwili ein selten gelingendes investigatives Kunststück - damals wurde in den Gefängnissen geschlagen und gefoltert - so ist mit dem heute regierenden Parteienbündnis "Georgischer Traum", dem neuen Präsidenten Georgi Margwelaschwili und dem neuen Regierungschef Irakli Garibaschwili ein Neustart auch im Umgang mit den Medien spürbar. Über den zuständigen ebenfalls neuen Minister sagt Edita:

"Er ist immer offen, er gibt alle Informationen ... Also, was wir brauchen, über Häftlinge. Es wird immer in Gefängnissen protestiert, manche nähen sich den Mund zu, weil sie protestieren. Und trotzdem dieser unangenehmen Sachen, was Ministerium vielleicht nicht so offen zeigen wollte für unsere Gesellschaft. Und wir können wirklich durch PR-Arbeit das bekommen. In welches Gefängnis das passiert ist, warum und wer sind diese Leute. Und früher wir konnten gar nichts wissen. Also, das ist schon ein großer Unterschied. Und ich kann das fühlen, dass sich manche, bestimmte Sachen haben sich wirklich verbessert."

PODCAST: Blick ins Herz Eurasiens - Stephan Wackwitz: "Die vergessene Mitte der Welt. Unterwegs zwischen Tiflis, Baku, Eriwan". Von Marko Martin (deutschlandradiokultur.de)

"Die vergessene Mitte der Welt" von Stephan Wackwitz, S. Fischer Verlag: podasct hören mp3.dradio.de

(deutschlandradiokultur.de) Wer bei Baku nur an den Eurovision Songcontest denkt, sollte Stephan Wackwitz' Buch lesen. Der vielgereiste Autor beschreibt in gelungenen Essays das kulturelle und politische Leben in den drei Ländern Aserbaidschan, Georgien und Armenien - erhellende und unterhaltsame Einblicke.


Die Altstadt der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku mit Minaretten liegt vor dichtbebauten neuen Hochhäusern.
(Photo: Sven Töniges)
Stephan Wackwitz, Jahrgang 1952, ist ein Schriftsteller, wie er als Typus ansonsten eher in der französisch- und spanischsprachigen Welt bekannt ist: Der feinnervige Intellektuelle, der neugierig diverse Kulturen bereist, sich in großen Städten zu Hause fühlt, jedoch bei all dem institutionell abgesichert ist. Der Dichter Octavio Paz war Mexikos Botschafter in Indien, der kubanische Romancier Alejo Carpentier, und der Chilene Pablo Neruda vertraten in der gleichen Position ihre Länder in Paris, der französische Lyriker Saint-John Perse arbeitete als Diplomat in den USA. Sie alle hatten über ihre Welterfahrungen Bücher geschrieben, und wer die Fallhöhe zum eher provinziellen Deutschland ermessen will, denke am besten an den Nazivergangenheitsverdränger und Vielschreiber Erwin Wickert: "Unser Mann in Tokyo und Peking."

Der ungleich reflektiertere Stephan Wackwitz dagegen hat eine linksintellektuelle Sozialisation hinter sich, vor allem aber Stationen als Leiter zahlreicher Goethe-Institute von Neu Delhi bis New York. Sein schönstes Buch ist Tokyo gewidmet, sein neuestes ist gerade erschienen: "Die vergessene Mitte der Welt. Unterwegs zwischen Tiflis, Baku, Eriwan." Dieser analytische, dabei gewitzt subjektive Reise-Essay versammelt wiederum alle Tugenden dieses Autors: Stadt-Beschreibungen von pointillistischer und ironischer Prägnanz; landeskundliche Exkurse ohne Baedeker-Betulichkeit. 

Dazu die überraschenden, jedoch nie eitlen Assoziationen eines vielgereisten Kulturbürgers: So erinnert ihn das heutige, semi-archaische Tiflis nicht nur an die Filme Federico Fellinis, sondern auch an die Gestimmtheit italienischer Western. Dagegen heißt es über Armenien: "Und so bin ich mir wirklich vorgekommen wie im Inneren einer kommunistischen Zeit- und Traummaschine, als ich zum ersten Mal auf dem weiten Zentralplatz von Eriwan stand. (…) Ein Kommunismus, den Giorgio de Chirico gemalt hat.“

Deutschlands bester Reiseautor

Ein Autor, der sein eigenes Referenzsystem immer wieder in Frage stellt (eine köstlich souveräne Polemik gegen den serbien-verklärenden Irrwisch Peter Handke inklusive) und sich am Schluss fragt, ob nicht auch er selbst einer Kaukasus-Romantik zum Opfer gefallen war: Gerade nämlich hatte er vom Goethe-Institutsfenster aus gesehen, wie in Tiflis orthodoxe Provinz-Zeloten Jagd machten auf demonstrierende Homosexuelle. Dass am Schluss die Polizei sich im Regierungsauftrag doch noch auf die Seite der Zivilgesellschaft stellt und Stephan Wackwitz eben dieser Georgien-Episode ungleich mehr Platz einräumt als einer Reflexion über die postsowjetischen Herrschaftstechniken im benachbarten Aserbaidschan, ist wiederum eine hübsche Pointe: Heißt es doch inzwischen von der globalisierten intellektuellen Linken, dass in deren Wahrnehmung die Schwulen längst die Rolle des einst idealisierten Proletariats eingenommen haben.

Doch wie auch immer: Es gibt im gegenwärtigen Deutschland wohl keinen zweiten Autor, der wie Stephan Wackwitz Kopf- und reale Reisen so elegant in Einklang zu bringen vermag. Man wünscht deshalb auch seinem jüngsten Buch zahlreiche Leser.

Stephan Wackwitz: Die vergessene Mitte der Welt. Unterwegs zwischen Tiflis, Baku, Eriwan S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2014 248 Seiten, 19,99 Euro

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Monday, March 10, 2014

BUCHMESSE: Tobias Voss über Georgien auf der Frankfurter Buchmesse 2018 (buchreport.de)

(buchreport.de) Warum lohnt der Blick nach Georgien, Herr Voss?

Zwischen Orient und Okzident: In vier Jahren stellt die Frankfurter Buchmesse Georgien in den Mittelpunkt. Für den Lizenzhandel spielt der kleine Markt bisher kaum eine Rolle, doch er wächst stetig und professionalisiert sich zunehmend. Was Georgien ausmacht, erläutert Tobias Voss, Leiter des Bereichs Internationale Märkte bei der Frankfurter Buchmesse, im Interview mit buchreport.de.

Georgien ist derzeit ein blinder Fleck der wichtigsten Buchmärkte. Warum lohnt der Blick nach Georgien?

http://www.buchreport.de/uploads/RTEmagicC_voss_tobias_text.jpg.jpgSeit dem ich mich aus beruflichen Gründen näher mit Georgien beschäftige – ich bin bei der Frankfurter Buchmesse unter anderem für die Länder der Region zuständig – fällt mir immer wieder auf, wie groß gleich das Interesse bei Kollegen oder auch Bekannten ist, wenn Georgien erwähnt wird: Im Detail sind dann oft keine große Kenntnisse vorhanden, aber das Land umgibt etwas faszinierendes, das sofort Interesse weckt. Da ist Kolchis mit seinen Goldschätzen, das in die griechische Mythologie eingegangen ist. Da sind die alten Kirchen und Klöster, von denen Viele schon gehört haben, oder der polyphone Gesang, der einzigartig auf der Welt ist… Durch das Land führte einst die Seidenstraße und damit wurde Georgien zu einer Kreuzung zwischen Ost und West. Und dennoch hat sich Georgien mit einer großen kulturellen Eigenständigkeit behauptet: So haben die knapp 4,5 Mio Einwohner des Landes ihr eigenes Alphabet.

Der Buchmarkt in Georgien ist noch recht jung, entwickelt sich aber schnell. Welche Fragen und Probleme beschäftigt die Branche vor Ort derzeit?

In der Tat: Noch Anfang der 90er Jahre lag der Sektor des Verlagswesens nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und den darauffolgenden Kriegswirren in Georgien weitgehend am Boden. In dieser Zeit erschienen kaum Bücher, das Land war mit anderen Problemen beschäftigt. Die Gründung des Verleger- und Buchhändlerverbands (Georgian Publishers and Booksellers Association, GPBA) stellt 1994 einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg des Wiederaufbaus des georgischen Buchhandels dar. Heute hat der Verband über vierzig Mitglieder und engagiert sich stark in der weiteren Professionalisierung der Branche. Es erscheinen jährlich knapp 8.000 Neuerscheinungen mit einer durchschnittlichen Auflage von 800 Exemplaren. Der Verband richtet außerdem die Tbilisi International Book Fair aus, auf der jährlich im Mai etwa 80 Aussteller vertreten sind. Die Messe wird vom Kulturministerium mit unterstützt, das auch das messebegleitende Literary Forum durchführt, zu dem Verleger und Lektoren internationaler Verlage eingeladen werden. Ziel ist es, die internationale Sichtbarkeit der georgischen Literatur zu erhöhen.

Und damit sind wir auch bei den Herausforderungen, die sich dem Markt derzeit stellen. Dies sind zum einen die üblichen Schwierigkeiten von kleinen Märkten, also kleine Auflagen und Organisation der vertrieblichen Aktivitäten. Im letzten Jahr fand in Tbilisi ein Workshop zum Thema Preisbindung statt, auf dem heftig darüber diskutiert wurde, welche Möglichkeiten die Einführung dieser Maßnahme für Georgien bieten würde. Für nicht wenige Verlage spielt der Schulbuchbereich eine wichtige Rolle: Hier kam es im letzten Jahr durch neue staatlich Vorgaben zu Irritationen unter den betroffenen Verlagen… All das im Blick zu haben und so zu organisieren, dass der Buchverkauf auch noch rentabel bleibt, ist schon für sich oft genug eine Herausforderung.

Da bleibt oft zu wenig Zeit, um sich auch noch um die internationalen Kontakte, also den Verkauf von Übersetzungslizenzen zu kümmern. Aber auch hier ist in den letzten Jahren Einiges passiert: Georgien nutzt seit vielen Jahren die Frankfurter Buchmesse mit einem repräsentativen Gemeinschaftsstand um genau diese internationalen Geschäftskontakte auszubauen. Im Kulturministerium gibt es eine sehr rührige Kontaktstelle, die Übersetzungsförderungen bereitstellt. Derzeit ist hierfür ein eigenständiges Institut in Planung, dem eine größere Unabhängigkeit vom Ministerium eingeräumt wird. Auch bei vielen Verlagen bleibt noch einiges zur Förderung der internationalen Wahrnehmung zu tun: Oft sind die Websites ausschließlich auf Georgisch und damit nur für den Eingeweihte zugänglich…

Welche Autoren aus Georgien sind für den deutschen Markt besonders interessant?

Bislang war das Interesse an georgischen Autoren eher sporadisch oder auf bestimmte kleinere Verlage mit speziellem Fokus ausgerichtet. Der Wiesbadner Reichert Verlag hat sich sehr um die Verbreitung georgischer Literatur verdient gemacht. Dort gibt es ebenso wie jüngst bei der Frankfurter Verlagsanstalt Anthologien, die Einblicke in die aktuelle Literaturszene erlauben. Beim Berliner Verbrecher Verlag erscheint das umfangreiche Werk von Giwi Margwelaschwili.

Eine weitere Übersicht ist 2012 beim amerikanischen Verlag Dalkey Archiv Press veröffentlicht worden. Dort erscheinen auch Werke der Autoren Zurab Karumidze, Aka Morchiladze und Lasha Bugadze. Auch die Romane von Zaza Burchuladze sind bereits in einige Sprachen übersetzt worden, allerdings – soweit ich sehe – noch nicht ins Deutsche.

Während des vorletzten Literary Forum in Tbilisi war das Buch Dato Turaschwili „Der Flug aus der UdSSR“ in aller Munde, es hat zunächst seinen Weg nach in die Niederlande gemacht und ich höre, das es demnächst auch in Deutschland erscheinen wird…

Die wichtigsten Fakten zum Buchmarkt Georgien im Überblick
* Der georgische Buchmarkt ist mit rund 70 Verlagen, 100 Buchhandlungen und zehn Großhändlern eher klein, wächst aber stetig und professionalisiert sich zunehmend. Alleine die Anzahl der verfügbaren Exemplare hat sich von 2008 auf 2011 fast vervierfacht (Gesamtauflagen 2011: 7,7 Mio).

* Der Jahresumsatz auf dem Buchmarkt lag in 2011 bei etwa 20 Millionen Euro. Derzeit erscheinen jährlich circa 3.500 neue Titel. Das Kinderbuch (28 Prozent) und Belletristik (26 Prozent) machen den Großteil des Umsatzes aus. Ein Wachstumsmarkt für die Verlage sind Schulbücher. Knapp 600 Titel werden jährlich aus verschiedenen Sprachen ins Georgische übersetzt (2012).

* Deutsche Verlage verkaufen derzeit etwa 20 bis 30 Lizenzen pro Jahr nach Georgien. In Deutschland sind die georgischen Schriftstellerinnen Nino Haratischwili (Hotlist – Buchpreis der unabhängigen Verlage für „Mein sanfter Zwilling“) und Tamta Melaschwili (Deutscher Jugendliteraturpreis 2013 für „Abzählen“) bereits bekannt.

Sunday, March 09, 2014

REZENSION: Als hätten wir Italien im Kaukasus vergessen - Stephan Wackwitz: Die vergessene Mitte der Welt. Unterwegs zwischen Tiflis, Baku, Eriwan. Von Olga Grjasnowa (welt.de)

(welt.de) Sehnsuchtsländer: Stephan Wackwitz reist durch Georgien, Armenien, Aserbaidschan. Von Olga Grjasnowa 

Stephan Wackwitz Die vergessene Mitte der Welt" von Stephan Wackwitz ist eines der klügsten und schönsten Bücher, die ich im letzten Jahrzehnt über den Kaukasus gelesen habe. Für den Autor selbst "nicht mehr als ein zeithistorischer Zwischenbescheid" eines ausländischen und sprachunkundigen fellow travellers, ziehen sich lange Spaziergänge als Leitmotiv durch das Buch, die an den Flaneur im Sinne Walter Benjamins oder auch an den Amerikaner Teju Cole erinnern. Ausgehend von kaukasischen Landschaften, mäandert Wackwitz souverän durch die Kulturgeschichte und zeichnet auch aktuelle politische Ereignisse nach – wie etwa die gewaltsamen Übergriffe von Erzkonservativen und orthodoxen Priestern auf eine Demonstration gegen Homophobie im vergangenen Jahr. 

Die vergessene Mitte der Welt Behutsam erzählt Wackwitz auch die Geschichte des armenischen Völkermordes während des Ersten Weltkrieges, die er sehr richtig als "Holocaust" bezeichnet: "Dieser Holocaust wurde zum Ursprungsmythos moderner armenischer Staatlichkeit und zum universalen Bezugspunkt armenischer Identität überall auf der Welt." Heute kopiert Armenien in vielen Punkten den Staat Israel – das armenische Genozid Museum in Eriwan hat nicht nur architektonisch und didaktisch vieles mit der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem gemeinsam, und unlängst wurde auch in Armenien das Programm "Birthright" eingeführt.

Allerdings wird der Genozid an den Armeniern von Israel offiziell nicht anerkannt – um die diplomatischen Beziehungen zur Türkei nicht noch weiter zu gefährden. Der in Baku geborene und 1990 nach Israel ausgewanderte Josef Shagal von der rechten Partei Israel Beiteinu erklärte gegenüber aserbaidschanischen Medien 1998: "Ich finde es zutiefst beleidigend, und sogar blasphemisch, den Holocaust an den europäischen Juden während des Zweiten Weltkrieges mit der Massenvernichtung der Armenier während des Ersten Weltkrieges zu vergleichen. Juden wurden getötet, weil sie Juden waren, doch die Armenier provozierten die Türkei und sind selbst schuld." Shagal saß von 2006 bis 2009 in der Knesset, dem israelischen Parlament. In Aserbaidschan wurden noch 1990 an den Armeniern Pogrome verübt.

"Die vergessene Mitte der Welt" ist ein atmosphärisch dichtes Buch, mit großen literarischen Passagen: "Der Blick über flache Sumpf- und Schilflandschaften auf die turmhohen Schornsteine des Stahlwerks in der Entfernung. Die diesige Luft des heißen Nachmittags. Der Geruch der Nadelgehölze am staubigen Straßenrand. Die Vergeblichkeit einer industriell-utopischen Zukunftsvision, die nie in der Wirklichkeit angekommen ist. Und nachdem ich diese zufällig am Wegesrand aufgeschnappten Atmosphären in den folgenden Wochen nicht hatte vergessen können, machte ich mich an einem Wochenende im späten August auf, einen Samstagnachmittag in Rustawi zu verbringen und mich davon überraschen zu lassen, welche Einsichten und Epiphanien dort auf mich warten würden."

Wenn nicht gerade in Baku wie 2012 ein Eurovision Song Contest stattfindet, taucht der Kaukasus in den internationalen Medien kaum auf, vor allem nicht mit Kulturnachrichten. Was Literatur und Essayistik angeht, gibt es zwar einige Bücher über den Tschetschenien-Krieg, und zwar ausgerechnet von Nichtrussen, etwa die "Dreihundert Brücken" von Bernardo Carvalho, "Die niedrigen Himmel" von Anthony Marra oder die wunderbaren Essays von Juan Goytisolo "Landschaften eines Krieges". Auch versucht die in Moskau lebende Alisa Ganieva, Dagestan auf die literarische Weltkarte zu bringen; doch bleibt der Kaukasus bis heute vor allem der Sehnsuchtsort der russischen Klassiker: Lermontow, Puschkin, Tolstoi, Gasdanow und viele andere reisten durch diese Region. Sie verarbeiteten ihre Erlebnisse mit einem romantisch-verklärten und eben noch nicht postkolonial-kritischen Blick, der auch noch heute in Russland in naiver Weise sehr lebendig ist.

Wackwitz vergleicht die Verklärung des Kaukasus mit der deutschen Italien-Sehnsucht: "Und dabei ist mir, seit ich hierhergekommen bin, als hätten wir mit Georgien ein nicht weniger mediterranes Land als Italien vergessen." Und an einer anderen Stelle heißt es: "Zur Entschuldigung meiner georgischen Aus- und Anfälle könnte ich außerdem eine lange Reihe von berühmten literarischen Entlastungszeugen benennen und literaturhistorische Präzedenzfälle ersten Ranges anführen. Denn ich bin hier, was seinerseits wiederum viel Peinliches hat, sozusagen nach einem literarischem Thema verzückt. Georgien ist seit Puschkin und Lermontow das russische und später sowjetische Italien. Eine Gegend, die man erobern muss und von der man träumen will."

Stalin sah das Ganze übrigens ein wenig anders, er hatte vor, aus Georgien ein sowjetisches Florida zu machen. Zwar wurde sein Plan niemals ganz in die Tat umgesetzt; ein begehrtes Urlaubsgebiet für die sowjetischen Bürger blieb das Gebiet allemal.

Stephan Wackwitz beschreibt eindringlich, wie rasant und grundlegend sich der Wandel in der georgischen Hauptstadt auch vollzieht: "Besucher, die ein Jahr lang nicht mehr in Tiflis waren, erkennen das Straßenbild nicht wieder. Georgische Politiker, die 2011 fast allmächtig schienen, sitzen 2013 in Untersuchungshaft." Das lässt sich auf fast alle Regionen im Kaukasus übertragen, mit unterschiedlichsten Auswirkungen: Auch das Straßenbild von Baku, der aserbaidschanischen Hauptstadt, verändert sich rasant – aber auch wie in Georgien nicht immer zum Besten.

Architektonisch passt sich Baku immer an Dubai und Riad an, sowjetische Hochhäuser werden mit glänzenden modernistischen Fassaden ummantelt, das marode Innere wird jedoch nicht restauriert, sondern verfällt. Aserbaidschanische Neubauten sind megaloman. Man kennt die drei 190 Meter hohen Hochhäuser, die über der Küste thronen und an Flammen erinnern sollen; die für den ESC erbaute Crystal Hall, die mehr als 23.000 Zuschauern Platz bieten könnte (wenn es nur einen Anlass gäbe), oder die angeblich weltgrößte Nationalflagge vor der Crystal Hall – 70 Meter breit, 35 Meter lang, angebracht an einen 162 Meter hohen Flaggenmast. Gefeiert wird nur bedingt die Glorie des Landes, es geht um die Ehre der Machthaber, die das Land als persönliches Eigentum betrachten.

Das Regime der Autokraten regiert sogar bis in die Kunstproduktion hinein. Auch zieht sie nur selten die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich, und wenn, dann meist über einen Skandal, wie bei der 54. Kunstbiennale von Venedig, als die Skulpturen der Künstlerin Aidan Salachowa auf Anweisung des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew entfernt werden mussten. Schon Hejdar Alijew war zu Zeiten der UdSSR Erster Sekretär des Politbüros der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in Aserbaidschan gewesen und später Vollmitglied der KPdSU in Moskau, 1993 wurde er Präsident des unabhängigen Aserbaidschans; nach seinem Tod übernahm sein Sohn Ilham den Posten. 

Das Alijew-Regime hat sich auch in das Stadtbild eingeschrieben. Der Unterschied zur sowjetischen Polit-Ikonografie ist nicht sonderlich groß, die Gesichter der Alijew-Männer sind überall, ganz und gar im orwellschen Sinn. Ihre überdimensionalen Porträts – Vater und Sohn in verschiedensten Versionen – gehören zum Stadtbild dazu, genau wie die nach ihnen benannten Straßen und Gebäude: Da gibt es den Hejdar-Alijew International Airport, das von der irakisch-britischen Architektin Zaha Hadid entworfene schneeweiße Hejdar-Alijew-Kulturzentrum, den Hejdar-Alijew-Park und nicht zuletzt das riesige Grab am Ehrenfriedhof. Jede aserbaidschanische Stadt hat mindestens eine Statue von Hejdar Alijew, auch im Ausland sind sie keine Seltenheit – etwas in Kiew, Bukarest, Belgrad und zwischenzeitlich sogar Mexiko City.

Alles in allem zeichnet Wackwitz' Kaukasus-Buch vor allem von Georgien ein hoffnungsvolles Porträt. Für die anderen Staaten der Region scheint der Weg noch etwas weiter.

Olga Grjasnowa wurde 1984 in einer jüdischen Familie in Baku geboren. Seit 1996 lebt sie in Deutschland. 2012 erschien ihr Debütroman "Der Russe ist einer, der Birken liebt" (Hanser).

Stephan Wackwitz: Die vergessene Mitte der Welt. Unterwegs zwischen Tiflis, Baku, Eriwan. S. Fischer, Frankfurt. 256 S., 19,99 €.

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Wednesday, March 05, 2014

KRIM-KRISE: Georgischer Schriftsteller Lascha Bakradse im Interview mit Tatjana Montik: «Ein Imperialismus des 19. Jahrhunderts» (nzz.ch)

Georgien bekennt sich ohne Wenn und Aber zu den westlichen Werten der Aufklärung. Im Bild: Eine zerstörte Militarbasis in Gori (Aufnahme vom 16. September 2008). (Bild: Keystone / EPA / Zurab Kurtsikidze)

(nzz.ch) Für Georgier bietet die russische Usurpation der ukrainischen Krim in Bezug auf Machtanspruch und Vorgehen ein Déjà-vu. Tatjana Montik hat sich mit dem georgischen Schriftsteller Lascha Bakradse unterhalten.

Ihre Heimat Georgien möchte demnächst einen Assoziierungsvertrag mit der EU unterzeichnen. Was hat Georgien Europa zu bieten?

Wir könnten viele neue Farben nach Europa bringen, denn wir besitzen eine eigenständige alte Kultur, die am Schnittpunkt zwischen Europa und Asien liegt. Unsere Tänze, unser polyfoner Gesang und unser Alphabet, um nur ein paar Dinge zu erwähnen, sind einzigartig. Und wir sind eine Landbrücke zwischen Europa und Asien. Wirtschaftlich könnte Georgien für eine europäische unabhängige Energiepolitik von Bedeutung werden, denn man sieht in Europa langsam ein, dass die Energieabhängigkeit von Russland gefährlich ist.

Welche europäischen Wurzeln besitzt Georgien?

Zur Zeit der Argonauten war Westgeorgien, Kolchis genannt, ein Teil der damals im Westen bekannten Welt. Dazumal gab es noch keine Grenze zwischen Europa und Asien. Neben der geografischen Lage ist es heute entscheidend, zu welchen Werten sich ein Land bekennt. Und Georgien bekennt sich ohne Wenn und Aber zu den westlichen Werten der Aufklärung. Hinzu kommt der christliche Glaube, der eine der wichtigsten Komponenten unserer Identität darstellt. Die Georgier haben sich immer als Teil der Christenheit verstanden.

Viele Europäer wissen gar nicht, wo Georgien liegt. Wann ist das Land Europa verloren gegangen?

Spätestens dann, als die Russen sich hier breitgemacht haben. Im 18. Jahrhundert wollte Georgien über Russland Europa näherkommen. Die georgischen Könige hatten Georgien während der Mongolenzeit jahrhundertelang gegenüber den muslimischen Nachbarn als christliches Land verteidigt und suchten schliesslich Hilfe bei Russland. Doch Russland hat in der Folge alle Verträge mit Georgien gebrochen – etwa den Vertrag von Georgijewsk von 1783, gemäss dem Georgien sich der Oberhoheit und dem Schutz Russlands unterstellte, seine Krone jedoch behalten durfte. Später hat Russland Georgien annektiert. Wir wurden zwar nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 unabhängig, doch viele sehen uns noch immer als Teil Russlands. Man hat im Westen die Geschichte der russischen Grossmachtpolitik im Süden nicht ordentlich studiert. Und daher fällt es dem Durchschnittseuropäer schwer, zu verstehen, was derzeit in der Ukraine und auch in Georgen passiert.

Was unterscheidet Russland von Europa?

Russland hat die europäische Aufklärung und die europäischen demokratischen Revolutionen verpasst. Der Autoritarismus und der Klientelismus seiner Politik speisen sich nach wie vor aus asiatisch-mongolischer Tradition der Machtausübung. Gerade jetzt in der Ukraine sehen wir deutlich, wie es funktioniert: Wer nicht kuscht oder sich kaufen lässt, wird drakonisch bestraft. Das ist nicht die Politik des 21. Jahrhunderts, sondern des 19. Jahrhunderts – klassisches imperialistisches Denken.

Am Wochenende haben die Russen die Halbinsel Krim okkupiert nach einem Schema, das die Georgier von ihren Provinzen Abchasien und Südossetien kennen, die heute russische Protektorate sind. Zuerst stiftet man Unruhe und schürt «Gefahr» und lässt dann die russischstämmige Bevölkerung das Mutterland um Hilfe anrufen. Natürlich ist man dann schnell und gern da in der «Not».

Was über der Auseinandersetzung zwischen Ukrainer und Russen vergessen geht, ist, dass die Krimtataren die ursprüngliche Bevölkerung auf der Krim darstellen. Sie haben eine äusserst interessante Kultur und Geschichte, sind jedoch heute durch die russische Willkürherrschaft zu einer kleinen Minderheit geschrumpft. Die Krimtataren gehörten zu den Völkern, die Stalin während des Zweiten Weltkriegs wegen angeblicher Kollaboration mit den Deutschen als Ganze nach Zentralasien umgesiedelt hat. Innerhalb weniger Tage wurden über 180 000 Menschen unter fürchterlichen Bedingungen per Zug verfrachtet, rund ein Drittel kam beim Transport ums Leben. Erst nach dem Zerfall der UdSSR durften sie zurückkehren.

Als Opfer russischer Gewaltgeschichte gelten die Krimtataren heute als proukrainisch.

Sie sind eine proukrainische, aber auch eine proeuropäische Kraft. Der Modernisierungswille der russischen Tataren (nicht zuletzt in Bezug auf den Islam) folgte europäischen Vorbildern, dasselbe war in Georgien der Fall. Ismail Gaspirali war für sie als Aufklärer eine ebenso wichtige Figur wie für uns Ilja Tschawtschawadse.

Wie sehen Sie die Perspektiven Georgiens?

Für uns geht es heute nicht mehr darum, ob wir nach Asien oder nach Europa gehören. Wir wollen nach Europa – alle Umfragen sprechen eine deutliche Sprache. Allerdings müssen wir erkennen, wie effizient die russische Propaganda in Georgien arbeitet: Europa und der Westen werden verteufelt, wo immer es nur geht, und es gibt bei uns Leute, die auf diese Desinformation tatsächlich hereinfallen. Nach dem russischen moralischen Desaster auf der Krim wird diese Form der Aggression noch zunehmen. Wichtig ist, dass sich unsere Bevölkerung dagegen resistent zeigt.

Welche Möglichkeiten gibt es denn, den russischen Machtansprüchen wirksam entgegenzutreten?

Man sollte den Menschen die Wahrheit über Europa und den Westen noch eindringlicher und verständlicher erzählen. Europa unternimmt hier kaum etwas. Für viele Georgier ist es sehr schwer, ein Visum für europäische Länder zu bekommen. Wichtig ist auch Europas wirtschaftlicher Einfluss. Wir dürfen nicht das Gefühl bekommen, gegenüber Russland alleine gelassen werden.

Welche Rolle spielt denn die georgische orthodoxe Kirche?

Sie ist so etwas wie die fünfte Kolonne Russlands in Georgien. Der Idee der Einheit der orthodoxen Kirche verpflichtet, wirkt sie stark prorussisch, ob bewusst oder unbewusst.

Bald wird der russische Patriarch Kyrill nach Georgien reisen. Manche meinen, Georgien solle den Assoziierungsvertrag mit der EU unbedingt noch vor diesem Besuch unterzeichnen.

Ein Assoziierungsabkommen ist keine Garantie – man sollte davon nicht zu viel erwarten. Von europäischer Seite sollte noch deutlicher gesagt werden, dass uns dieser Vertrag die Türen öffnet. Es steht zu befürchten, dass die Russen auf uns einen ähnlichen Druck ausüben wie auf die Ukraine.

Nach dem Regierungswechsel im Herbst hat sich die neue georgische Führung wesentlich russlandfreundlicher gegeben. Hat das etwas genützt?

Ich glaube, unsere neue Regierung hat inzwischen eingesehen, dass die Politik der ausgestreckten Hand nicht viel Gutes bringt. Unser Premierminister Garibaschwili hat vor kurzem bei seiner Reise in die USA klare Worte gesprochen. Russland versteht die Politik der Sanftheit überhaupt nicht, weil es diese Sanftheit als Schwäche versteht. Zwanzig Prozent des georgischen Territoriums halten die Russen mittlerweile völkerrechtlich illegal besetzt. Jetzt ist die Krim an der Reihe. Wir selber haben im Georgien-Krieg geblutet, als wir versuchten, uns gegen diese Entwicklung zu stellen. Ich befürchte, dass es auch auf der Krim so weit kommen kann.

Interview: Tatjana Montik

Lascha Bakradse, geboren 1965 in Tiflis, ist Publizist, Historiker, Literaturwissenschafter, Journalist, Drehbuchautor und Schauspieler. Er studierte in Tiflis, Jena, Bern, Potsdam und Berlin. Derzeit unterrichtet Bakradse an den Universitäten von Tiflis und ist gleichzeitig Direktor des dortigen Giorgi-Leonidze-Literaturmuseums.