(eurasischesmagazin.de) Eigentlich hat sich die Welt an farbige, blumig-duftende Revolutionen
gewöhnt: 1989 die samtene Revolution in der Tschechoslowakei, 2003 die
Rosenrevolution in Georgien, 2004 die Orange-Revolution in der Ukraine
und 2005 die Tulpen-Revolution in Kirgisien, die Zedernrevolution im
Libanon und die Jasmin-Revolution in Tunesien. Jetzt im Herbst 2012 fand
in Georgien eine neuartige Revolution statt: die
„Gefängnis-Revolution“, keine Gefängnis-Revolte, sondern ein durch einen
Gefängnisskandal ausgelöster Machtwechsel.
Es hatte in Georgien einen von beiden Seiten mit harten Bandagen
geführten Wahlkampf. gegeben. Die Führung mit Präsident Saakaschvili
setzte alle ihr zur Verfügung stehenden Machtmittel der Administration
und der Justiz ein und versuchte Erfolge zu vermarkten wie soziale und
wirtschaftliche Leistungen und Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit im
Lande. Die Opposition konterte mit dem „Georgischen Traum“ den der von
einigen als zwielichtig bezeichnete georgisch-russisch-französische
Milliardär Bidzina (Boris) Ivanischvili an der Spitze verkörperte. Er
betörte das Volk mit Geschenken und grenzenlosen Versprechungen. Da
fehlte schließlich nur noch der große Knaller. Und der kam mit dem
Gefängnisskandal, der möglicherweise gestellt war und bewusst
inszeniert wurde. Nichts Schlimmeres konnte dem prowestlichen Regime
Saakaschvilis passieren, als der Schmach und Lächerlichkeit in der
Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein.
Der beste Saakaschvili den es je gab - spielt im Kino
Schon der verlorene 5-Tage-Krieg im August 2008 hatte dem
Präsidenten zugesetzt, der beim Versuch, nach dem Erfolg in der
autonomen Provinz am Schwarzen Meer, Adscharien, weitere abtrünnige
Gebiete (Abchasien und Südossetien) heimzuholen, vom Einmarsch
russischer Truppen in Georgien erniedrigt, von den Amerikanern im Stich
gelassen und von den anderen westlichen Ländern bei der
Waffenstillstands-vermittlung nur zögernd unterstützt wurde.
Dazu sollte man sich mal den amerikanisch-georgischen Kriegsfilm
„Five Days of War“ ansehen, der den russisch-georgischen Krieg aus
mehrfacher Perspektive zeigt. Andy Garcia, tragisches Opfer in „Black
Rain“ spielt überzeugend die Rolle des georgischen Präsidenten, ja er
ist der beste Saakaschvili, den es je gab!
Durch Erfolge auf wirtschaftlichem Gebiet und in der inneren
Sicherheit konnte Saakshvilis auf Westkurs getrimmte Partei wieder an
Boden gewinnen. Laut Umfragen amerikanischer Umfrageinstitute stieg die
Beliebtheit der regierenden „Vereinigten Nationalpartei“ wieder
deutlich auf über 50 Prozent. Doch dann kam der Gefängnisgewaltskandal,
der alle Zuwächse zunichtemachte. Saakaschvilis Regime wurde als
repressive, korrupte und außenpolitisch erfolglose Regierung entlarvt.
Die Vorbehalte der Bevölkerung gegen den russlandnahen Oligarchen
Ivanischvili wichen auf einmal. Den „Georgischen Traum“, wie der Name
seiner Partei heißt, konnte nur er, der Retter Georgiens,
verwirklichen: Wohlstand, mehr Demokratie und eine Versöhnung mit
Russland.
Die „blütenreinen“ Wahlen und das Wahlergebnis wurden von Russland
und vielen westlichen Regierungen gelobt, endlich passiert in einer
ehemaligen Sowjetrepublik ein friedlicher Machtwechsel. In der Ukraine
war vor zwei Jahren ebenfalls ein friedlicher Machtwechsel geschehen,
demokratisch ja, aber ein Rückschlag für die Akteure der
Orangerevolution.
Nach dem Politgemetzel darf geträumt werden
Zwischen Regierung und Opposition fand fast ein mörderischer
Wahlkampf statt, in dem jede Seite die andere verteufelte. Mit dem
Politgemetzel in Georgien ging ein Parallelkrieg westlicher
Umfrageinstitute und Werbeagenturen zuende, eine Kampfdebatte im
Europaparlament und eine kreuzzugsartige Besuchswelle westlicher
Politiker und Kontrolleure der internationalen Organisationen und NGOs.
Die Penetranz an Ermahnungen zu „fairen und freien“ ging ins
Lächerliche. Da sollte man doch mal die Wahlen in einigen EU-Ländern,
die ich nicht nennen möchte, oder das komplizierte Wahl- und Zählsystem
in den USA unter die Lupe nehmen!
Ein westlicher Kaukasus-Experte warnte, man soll nicht nur auf das
Wahlprozedere achten, sondern auch eine Strategie des Wünschenswerten
bereithalten. Sonst kann man wie in der Ukraine ein Land „zu Tode“
demokratisieren und bringt wie einst in Deutschland demokratiefeindliche
Kräfte ans Ruder.
Nun bleibt abzuwarten, was aus Georgien wird. Der Wahlsieger
Ivanischvili wird mit seinen Getreuen bald die nächste Regierung
stellen. Darüber wird der Westen schon wachen. Dann wird es zu einer
sogenannten Kohabitation kommen: Staatsoberhaupt und Regierungschef
gehören entgegengesetzten Parteien an. Schon geht Ivanischvili weiter
und verlangt die ganze Macht. Der bis zu den kommenden Wahlen im Jahre
2013 amtierende Präsident soll schon jetzt zurücktreten und das
Parlament soll vorgezogenen Präsidentenwahlen zustimmen. Doch da wird
er zurückgepfiffen, er soll mit dem Präsidenten verhandeln und sich
einigen. Präsident Saakaschvili muss 2013 auf jeden Fall abtreten, nach
zwei Amtsperioden ist eine weiter nicht möglich. Fast ist es schon
sicher, dass die Opposition auch die Präsidentenwahlen gewinnt und
Oppositionsführer Ivanischvili Präsident wird. Kommt es dann wie in der
Ukraine zu einer Zeit der Revanche, in der die Spitzen des bisherigen
Regimes – wie Julia Tymoschenko ins Gefängnis gesteckt oder ins Exil
getrieben werden?
Sicherlich wird vom Westen zur Mäßigung gemahnt. Sich mit der neuen
Regierung zu weit vom Westen zu entfernen, kann sich Ivanischvili auch
nicht leisten, denn seinen Sieg verdankt er auch ihm. Auch werden
seitens der EU und den USA eine Wiederannäherung Georgiens an Russland
und eine Entspannung im Verhältnis zu den von Moskau verselbständigten
Regionen Abchasien und Südossetien eher geschätzt als befürchtet.
Inwieweit Georgien dann der NATO und der EU entfremdet wird, bleibt
abzuwarten. Russland kann Georgien nur mit der Rückgabe der
abgefallenen Provinzen ködern. Viel hängt vom Geschick europäischer und
amerikanischer Politik ab.
1 comment:
Ein gelungener Artikel! Aber warum wird der friedliche und demokratische Machtwechsel als Revolution bezeichnet?
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