(fr-online.de) Vor den Wahlen in Georgien wachsen die Spannungen im Land - vor allem
der Folterskandal überschattet die politischen Auseinandersetzungen in
der Kaukasusrepublik.
Vielleicht hilft es ja, was der
Patriarch der Orthodoxen Kirche Georgiens am Freitag angeordnet hat:
Sämtliche Städte und Dörfer des Landes sollten mit Weihwasser besprengt
werden, um Unheil bei den Parlamentswahlen vom Montag abzuwenden. Der
dramatische Einsatz der Priesterschaft zeigt, wie groß die Angst in der
Kaukasusrepublik vor Spannungen, ja Gewalt ist.
Seit eine
friedliche „Rosenrevolution“ Präsident Michail Saakaschwili an die Macht
spülte, ist keine Wahl so umkämpft gewesen wie die heutige.
Saakaschwili hat acht Jahre lang den zerrütteten Staat modernisiert und
auf Westkurs gebracht, und er hat sich dabei viele Gegner gemacht, aber
keine starken.
Georgiens reichster Mann
Das
ist nun erstmals anders. Georgiens reichster Mann, Bidsina
Iwanischwili, hat die Opposition geeint. Die Zeitschrift Forbes schätzt
sein Vermögen auf 6,4 Milliarden Dollar – das wäre so viel wie der
gesamte Staatshaushalt des armen Landes. Iwanischwili war bisher als
diskreter Mäzen bekannt, nicht als Politiker. So hat er Georgiens größte
Kathedrale finanziert, die Renten von Schauspielern aufgebessert und
der neuen Verkehrspolizei – einem Lieblingsprojekt Saakaschwilis –
Uniformen spendiert.
Noch vor wenigen Wochen sah sich
Saakaschwilis „Vereinte Nationale Bewegung“ in Umfragen deutlich vor
Iwanischwilis Koalition „Georgischer Traum“ und den oppositionellen
Christdemokraten. Aber dann hat ein Folterskandal dem Präsidenten und
Parteiführer schwer geschadet. Regierungskritische Fernsehsender,
darunter einer der Iwanischwili-Familie, veröffentlichten erschütternde
Videoaufnahmen aus dem Tiflisser Gefängnis Nr. acht. Sie zeigten
Aufseher, die Häftlinge systematisch schlugen, erniedrigten, mit Besen
vergewaltigten. In den Straßen der Hauptstadt demonstrierten daraufhin
Studenten mit Besenstielen in der Hand.
Die Bilder zeigten
schlagartig die Schattenseite von Saakaschwilis Modernisierung. Er hat
zwar die Kriminalität auf der Straße besiegt, aber nun wird die Gewalt
eben vom Staat selbst ausgeübt, in hochmodernen Gefängnissen, sagt die
Opposition. Die Regierung zog rasch Konsequenzen. Der Innenminister trat
zurück, der Minister für Strafvollzug wurde mit einem
Menschenrechtsbeauftragten ersetzt, leitende Gefängnisbeamte wurden
verhaftet. Zugleich aber wirft die Regierung der Opposition vor, sie sei
verbündet mit Mafiabossen, die aus den Gefängnissen und aus dem Exil
eine Revanche suchten.
Inhalte spielen keine Rolle
Um
das zu belegen, wird ein schmutziger Krieg in den Medien geführt. Die
Behörden selbst bringen kompromittierende Materialien in Umlauf. So
präsentierte das Innenministerium eine Tonaufnahme eines angeblichen
Gesprächs zwischen Kriminellen und Kacha Kaladse. Kaladse ist der
prominenteste Fußballerspieler des Landes und kandidiert für
Iwanischwili. Die Oppositionsmedien wiederum zeigten uralte Aufnahmen,
die Saakaschwilis Einflussnahme auf die Fernsehsender beweisen sollten.
Wahlprogramme
spielen kaum mehr eine Rolle, sie unterscheiden sich auch nicht stark.
Am Kurs der Westintegration will auch Iwanischwili nicht rütteln, er
verspricht aber eine Entspannungspolitik gegenüber Russland, dem
Kriegsgegner von 2008. Weil er aber selbst sein Geld in Moskau verdient
hat, sieht die Regierung in ihm einen Agenten Putins.
Je näher die
Wahlen rücken, desto angespannter ist die Stimmung. Rund dreißig
Aktivisten der Opposition sind festgenommen worden. Ein Leibwächter
Iwanischwilis, der am Kompromati-Kampf beteiligt war, wird von seiner
Familie vermisst.
Für Präsident Saakaschwili hat die Wahl
besondere Bedeutung: Er kann laut Verfassung im Herbst 2013 nicht für
eine dritte Amtszeit kandidieren. Da aber zugleich eine
Verfassungsänderung in Kraft treten wird, die die Macht des Präsidenten
weitgehend auf den Premierminister überträgt, könnte Saakaschwili in
einem Jahr selbst Regierungschef werden.
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