Thursday, October 25, 2012

GOURMET: Die Wiege des Weins liegt in Georgien. Von Andrzej Rybak (ftd.de)

(ftd.de) Kaukasische Rebsorten, Gärung in Tonamphoren: Georgien besinnt sich auf eine uralte Weinkultur, die Anwärter auf das Unesco-Welterbe ist. Unser Autor probiert auf dem Gut eines Deutschen ungeahnt gute Tropfen.  


Der dunkelblaue Saperawi-Wein aus Kachetien, Georgien
photo: Lioba Schöneck
Ein steinerner Turm überragt die windschiefen Häuser von Kisiskhevi. Der Rest des Châteaus, das der Stolz des Dorfes ist, verbirgt sich hinter einer hohen Mauer: ein schmuckes Gebäudeensemble aus Natursteinen und Ziegeln, beschienen vom Goldlicht der Spätnachmittagssonne. Von der Terrasse huscht der Blick über ein breites Tal und bleibt an den mächtigen Schneegipfeln des Kaukasus hängen. "Irgendwo hier wurde vor fast 8000 Jahren das Geheimnis der Weinherstellung entdeckt", sagt der Hausherr Burkhard Schuchmann. "Georgien ist die Wiege des Weins, nicht Griechenland, wie viele glauben."
Das Land am Schwarzen Meer ist tief mit der Weinkultur verbunden. 
 
Archäologen datieren die ältesten Samen kultivierter georgischer Reben auf das sechste Jahrtausend vor Christus. Ebenso die älteste Amphora, in der sich Spuren von Wein fanden. In den Tälern des Südkaukasus wachsen bis heute über 500 heimische Rebsorten, die es sonst nirgends gibt. Linguisten führen das lateinische Wort vino auf das georgische gvino zurück. Und Wein darf bei keinem Festessen fehlen. Fast jede Familie auf dem Land stellt ihren eigenen Rebensaft her - wie in der Frühzeit in Tonamphoren.

Schuchmann suchte eigentlich nur ein Hobby

In den späten 90ern besannen sich auch Profiwinzer auf die bauchigen Gefäße. Besonders in der östlichen Provinz ­Kachetien, wo Kisiskhevi liegt, wird in den spitz ­zulaufenden Amphoren wieder Wein ausgebaut. Damit die Gärtemperatur konstant bleibt, stecken die Kwewris bis zum Hals in der Erde. Sie schränkt die Sauerstoffaufnahme durch die Tonwände ein und schenkt dem Wein einen leicht mineralischen ­Geschmack. Inzwischen hat sich die Methode so ­bewährt, dass sie für die Unesco-Welterbeliste nominiert ist. Die Entscheidung fällt im Herbst. "Wenn es klappt, dürften Kwewri-Weine bald bekannter sein", sagt Schuchmann. Und es wird klappen, glaubt er.
 
Der Westfale, vor seiner Pensionierung Vorstandschef beim Schienen- und Weichenhersteller Vossloh, wollte in Georgien eigentlich nur ein paar Reben­felder erwerben und die Trauben zu einer ­guten Kellerei bringen: Wein machen, ohne sich viel Verantwortung aufzuladen. Er bereiste das Land, nahm Bodenproben, fand Felder - und wurde bei Vinoterra in Kisiskhevi vorstellig. Doch die Kellerei war verschuldet und suchte einen Käufer, keine Aufträge. 2008 übernahm Schuchmann den kompletten Betrieb und vertraute einem der Anteilseigner, dem exzellenten Weinmacher Giorgi Dakishvili, die Produktion an. Seitdem hat der Deutsche 6,5 Mio. Euro investiert und den Betrieb zum Château aus­gebaut. Auch er stellt Weine in Tonamphoren her.
 
"Kwewri-Wein ist im Geschmack etwas ganz Besonderes", sagt der 70-Jährige zufrieden. 120 Hektar besitzt er in Kachetien, auf denen hauptsächlich die georgischen Rebsorten Saperawi, Rkaziteli und Mzwane wachsen. Zudem ein wenig Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay. Ein Teil der Ernte wandert in die Kwewris, ein anderer in moderne Edelstahltanks. 250 000 Flaschen exzellenten Weins entstehen so im Jahr.

"Ein Ritt auf Messers Schneide"

Drei Dutzend Amphoren sind in Schuchmanns Kellern eingegraben. In ihren dunklen Bäuchen ­gären 500 bis 3500 Liter Maische aus seinen besten Beeren. Für die Spontanfermentation sorgen reb­eigene Hefen. Dakishvili überwacht den Prozess. Da auch Schalen, Kerne und Stängel mitgären, ent­wickelt der Wein mehr Tannine und Polyphenole und wird sehr körperreich. Je nach Rebe und Machart bleibt er zwischen drei Wochen und zehn Monaten im Kwewri. "Ein Ritt auf Messers Schneide", sagt Dakishvili. "Wenn die Maische zu viele Stängel und Kerne enthält, kann der Wein bitter werden."
 
Doch der Kellermeister weiß genau, wie das Lesegut sortiert und zerdrückt werden muss und wie lange es gären darf. Den Saperawi zum Beispiel belässt er im Unterschied zu anderen Winzern nicht monatelang im Kwewri, sondern füllt ihn nach 16 bis 20 Tagen in Edelstahltanks um. Dort sinkt im Verlauf der sekundären Gärung der Säuregehalt, was für ein elegantes, harmonisches Geschmacksbild sorgt. Eine jahrtausendealte Tradition, gepaart mit modernem Know-how.
 
Trinkreif ist der Saperawi danach noch lange nicht. Erst wenn er zwei Jahre später aus den alten Eichenfässern, die Schuchmann aus Frankreich importiert hat, ungefiltert in Flaschen abgefüllt wird, erfährt man, was aus ihm geworden ist: ein dunkelroter Wein, der nach Kirsche, Zedernholz und Minze ­duftet, bevor er mit sattem Kirscharoma und zarter Pfeffernote über die Zunge rollt.

Südossetien-Konflikt veränderte auch die Weinherstellung

Der weiße Kisi ist noch ungewöhnlicher. Normalerweise wird Weißwein lediglich aus Traubenmost gewonnen, doch beim Kisi gärt die ganze Maische wie sonst nur bei Rotwein üblich. Nach der Gärung bleibt er weitere sechs Monate im Kwewri und wandert anschließend für ein Jahr ins Barrique. Goldgelb fließt er hinterher ins Glas mit einem Bouquet von reifem Pfirsich und leisen Kieferakzenten. 
 
Die Kunde vom georgischen Kwewri hat bereits Winzer in Österreich, Italien, Slowenien und den USA erreicht. Sie importierten Tongefäße und bauen nun Wein auf die uralte Weise aus. "Die Herkunft der Methode wird meist gar nicht erwähnt", sagt Nika Rurua, Kulturminister in Tbilisi. "Aber wenn die Unesco unser Menschheitserbe anerkennt, werden die Hersteller den Ursprung benennen müssen."
 
Von dem neuen Renommee würden auch die ­Töpfer profitieren. Ihr Kwewri-Handwerk war in der Sow­jetzeit fast ausgestorben, denn der Arbeiter- und Bauernstaat hatte seine georgischen Winzer auf Massenware aus Stahltanks eingeschworen. Erst als Russland 2006 im Zuge des Südossetien-Konflikts die Grenze zu Georgien schloss und die Weinwirtschaft über Nacht vor dem Nichts stand, war der Zeitpunkt für die Umkehr reif: Nur im qualitätsbewussten Westen konnte man neue Märkte erobern. Von dieser Erkenntnis bis zur Besinnung auf die Kwewri-Tradition war es nicht mehr weit. 
 
Jetzt muss nur noch die Nachfrage steigen. Dann könnte es bald wieder mehr als die verbliebenen zwei Töpfereien geben, in denen übermannshohe Amphoren entstehen, die so mit Bienenwachs ausgekleidet werden, dass der Ton nicht zu viel atmet und nicht zu wenig. Für Kwewri-Macher jedes Mal eine Herausforderung.
 
Auch die Winzer selbst arbeiten noch an der ­Wiedergeburt des georgischen Weins. Schuchmann bildet Nachwuchs aus und sponsert eine staatliche Weinschule. Mehrere Auszeichnungen haben seine Weine schon bekommen, darunter Gold beim Wettbewerb Mundus Vini 2010 und beim International Wine Award 2011. Sogar Georgiens Präsident Michail Saakaschwili hat das Château, zu dem ein feines Restaurant und ein kleines Hotel gehören, schon besucht. Er war erstaunt, dass Wein aus seiner Heimat so gut schmecken kann.

www.schuchmann-wines.com
erhältlich z. B. über Geovino, www.geovino.de
 
 

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