(ftd.de) Kaukasische Rebsorten, Gärung in Tonamphoren: Georgien
besinnt sich auf eine uralte Weinkultur, die Anwärter auf das
Unesco-Welterbe ist. Unser Autor probiert auf dem Gut eines Deutschen
ungeahnt gute Tropfen.
photo: Lioba Schöneck |
Ein steinerner Turm überragt
die windschiefen Häuser von Kisiskhevi. Der Rest des Châteaus, das der
Stolz des Dorfes ist, verbirgt sich hinter einer hohen Mauer: ein
schmuckes Gebäudeensemble aus Natursteinen und Ziegeln, beschienen vom
Goldlicht der Spätnachmittagssonne. Von der Terrasse huscht der Blick
über ein breites Tal und bleibt an den mächtigen Schneegipfeln des
Kaukasus hängen. "Irgendwo hier wurde vor fast 8000 Jahren das Geheimnis der Weinherstellung entdeckt", sagt der Hausherr Burkhard Schuchmann. "Georgien ist die Wiege des Weins, nicht Griechenland, wie viele glauben."
Das Land am Schwarzen Meer
ist tief mit der Weinkultur verbunden.
Archäologen datieren die
ältesten Samen kultivierter georgischer Reben auf das sechste
Jahrtausend vor Christus. Ebenso die älteste Amphora, in der sich Spuren
von Wein fanden. In den Tälern des Südkaukasus wachsen bis heute über
500 heimische Rebsorten, die es sonst nirgends gibt. Linguisten führen
das lateinische Wort vino auf das georgische gvino zurück. Und Wein darf
bei keinem Festessen fehlen. Fast jede Familie auf dem Land stellt
ihren eigenen Rebensaft her - wie in der Frühzeit in Tonamphoren.
Schuchmann suchte eigentlich nur ein Hobby
In
den späten 90ern besannen sich auch Profiwinzer auf die bauchigen
Gefäße. Besonders in der östlichen Provinz Kachetien, wo Kisiskhevi
liegt, wird in den spitz zulaufenden Amphoren wieder Wein ausgebaut.
Damit die Gärtemperatur konstant bleibt, stecken die Kwewris bis zum
Hals in der Erde. Sie schränkt die Sauerstoffaufnahme durch die Tonwände
ein und schenkt dem Wein einen leicht mineralischen Geschmack.
Inzwischen hat sich die Methode so bewährt, dass sie für die
Unesco-Welterbeliste nominiert ist. Die Entscheidung fällt im Herbst.
"Wenn es klappt, dürften Kwewri-Weine bald bekannter sein", sagt
Schuchmann. Und es wird klappen, glaubt er.
Der Westfale, vor seiner Pensionierung
Vorstandschef beim Schienen- und Weichenhersteller Vossloh, wollte in
Georgien eigentlich nur ein paar Rebenfelder erwerben und die Trauben
zu einer guten Kellerei bringen: Wein machen, ohne sich viel
Verantwortung aufzuladen. Er bereiste das Land, nahm Bodenproben, fand
Felder - und wurde bei Vinoterra in Kisiskhevi vorstellig. Doch die
Kellerei war verschuldet und suchte einen Käufer, keine Aufträge. 2008
übernahm Schuchmann den kompletten Betrieb und vertraute einem der
Anteilseigner, dem exzellenten Weinmacher Giorgi Dakishvili, die
Produktion an. Seitdem hat der Deutsche 6,5 Mio. Euro investiert und den
Betrieb zum Château ausgebaut. Auch er stellt Weine in Tonamphoren
her.
"Kwewri-Wein ist im Geschmack etwas
ganz Besonderes", sagt der 70-Jährige zufrieden. 120 Hektar besitzt er
in Kachetien, auf denen hauptsächlich die georgischen Rebsorten
Saperawi, Rkaziteli und Mzwane wachsen. Zudem ein wenig Cabernet
Sauvignon, Merlot, Chardonnay. Ein Teil der Ernte wandert in die
Kwewris, ein anderer in moderne Edelstahltanks. 250 000 Flaschen
exzellenten Weins entstehen so im Jahr.
"Ein Ritt auf Messers Schneide"
Drei
Dutzend Amphoren sind in Schuchmanns Kellern eingegraben. In ihren
dunklen Bäuchen gären 500 bis 3500 Liter Maische aus seinen besten
Beeren. Für die Spontanfermentation sorgen rebeigene Hefen. Dakishvili
überwacht den Prozess. Da auch Schalen, Kerne und Stängel mitgären,
entwickelt der Wein mehr Tannine und Polyphenole und wird sehr
körperreich. Je nach Rebe und Machart bleibt er zwischen drei Wochen und
zehn Monaten im Kwewri. "Ein Ritt auf Messers Schneide", sagt
Dakishvili. "Wenn die Maische zu viele Stängel und Kerne enthält, kann
der Wein bitter werden."
Doch
der Kellermeister weiß genau, wie das Lesegut sortiert und zerdrückt
werden muss und wie lange es gären darf. Den Saperawi zum Beispiel
belässt er im Unterschied zu anderen Winzern nicht monatelang im Kwewri,
sondern füllt ihn nach 16 bis 20 Tagen in Edelstahltanks um. Dort sinkt
im Verlauf der sekundären Gärung der Säuregehalt, was für ein
elegantes, harmonisches Geschmacksbild sorgt. Eine jahrtausendealte
Tradition, gepaart mit modernem Know-how.
Trinkreif
ist der Saperawi danach noch lange nicht. Erst wenn er zwei Jahre
später aus den alten Eichenfässern, die Schuchmann aus Frankreich
importiert hat, ungefiltert in Flaschen abgefüllt wird, erfährt man, was
aus ihm geworden ist: ein dunkelroter Wein, der nach Kirsche,
Zedernholz und Minze duftet, bevor er mit sattem Kirscharoma und zarter
Pfeffernote über die Zunge rollt.
Südossetien-Konflikt veränderte auch die Weinherstellung
Der
weiße Kisi ist noch ungewöhnlicher. Normalerweise wird Weißwein
lediglich aus Traubenmost gewonnen, doch beim Kisi gärt die ganze
Maische wie sonst nur bei Rotwein üblich. Nach der Gärung bleibt er
weitere sechs Monate im Kwewri und wandert anschließend für ein Jahr ins
Barrique. Goldgelb fließt er hinterher ins Glas mit einem Bouquet von
reifem Pfirsich und leisen Kieferakzenten.
Die
Kunde vom georgischen Kwewri hat bereits Winzer in Österreich, Italien,
Slowenien und den USA erreicht. Sie importierten Tongefäße und bauen
nun Wein auf die uralte Weise aus. "Die Herkunft der Methode wird meist
gar nicht erwähnt", sagt Nika Rurua, Kulturminister in Tbilisi. "Aber
wenn die Unesco unser Menschheitserbe anerkennt, werden die Hersteller
den Ursprung benennen müssen."
Von dem neuen
Renommee würden auch die Töpfer profitieren. Ihr Kwewri-Handwerk war in
der Sowjetzeit fast ausgestorben, denn der Arbeiter- und Bauernstaat
hatte seine georgischen Winzer auf Massenware aus Stahltanks
eingeschworen. Erst als Russland 2006 im Zuge des Südossetien-Konflikts
die Grenze zu Georgien schloss und die Weinwirtschaft über Nacht vor dem
Nichts stand, war der Zeitpunkt für die Umkehr reif: Nur im
qualitätsbewussten Westen konnte man neue Märkte erobern. Von dieser
Erkenntnis bis zur Besinnung auf die Kwewri-Tradition war es nicht mehr
weit.
Jetzt muss nur noch die Nachfrage
steigen. Dann könnte es bald wieder mehr als die verbliebenen zwei
Töpfereien geben, in denen übermannshohe Amphoren entstehen, die so mit
Bienenwachs ausgekleidet werden, dass der Ton nicht zu viel atmet und
nicht zu wenig. Für Kwewri-Macher jedes Mal eine Herausforderung.
Auch
die Winzer selbst arbeiten noch an der Wiedergeburt des georgischen
Weins. Schuchmann bildet Nachwuchs aus und sponsert eine staatliche
Weinschule. Mehrere Auszeichnungen haben seine Weine schon bekommen,
darunter Gold beim Wettbewerb Mundus Vini 2010 und beim International
Wine Award 2011. Sogar Georgiens Präsident Michail Saakaschwili hat das
Château, zu dem ein feines Restaurant und ein kleines Hotel gehören,
schon besucht. Er war erstaunt, dass Wein aus seiner Heimat so gut
schmecken kann.
www.schuchmann-wines.com |
erhältlich z. B. über Geovino, www.geovino.de |
No comments:
Post a Comment